(ots) - Er war so etwas wie der Edward Snowden der
70-er Jahre: Mark Felt - besser bekannt unter seinem Decknamen "Deep
Throat", der mit seinen Enthüllungen im Watergate-Skandal den
damaligen US-Präsidenten Richard Nixon zu Fall brachte. Seine
brisanten Informationen gab Felt der "Washington Post" nur preis,
weil ihm die Reporter Anonymität zusicherten - und weil er sich
absolut darauf verlassen konnte. Heute wäre ein solcher Deal
unmöglich. Denn mit den technischen Mitteln, die den Geheimdiensten
inzwischen zur Verfügung stehen, hätten die Behören "Deep Throat"
schnell enttarnt. Mit dieser Gewissheit hätte Felt wohl für immer
geschwiegen. Man kann also durchaus annehmen, dass einer der größten
Polit-Skandale der amerikanischen Geschichte nie aufgeflogen wäre,
wenn es damals bereits die heutigen Mittel zur totalen Ãœberwachung
gegeben hätte. Das Beispiel zeigt, wie wichtig die sogenannten
Whistleblower sind, um kriminelle Machenschaften von Politikern oder
Regierungsstellen aufzudecken. Gleichzeitig macht es deutlich, in was
für eine heikle Situation sich die Enthüller der 2010er-Jahre begeben
müssen. Snowden - und das ist der wesentliche Unterschied zu "Deep
Throat" - nahm in Kauf, dass er von seinen Landsleuten für vogelfrei
erklärt wird. Die USA haben unmissverständlich klargemacht, was sie
von Snowden halten und mit ihm zu tun gedenken. Die einzige "Brücke",
die ihm die Amerikaner für eine Rückkehr gebaut haben ist das
Versprechen, ihm die Todesstrafe zu ersparen. Für das "Verbrechen",
dass er die Wahrheit gesagt hat und aller Welt die Augen über den
großen Bruder USA geöffnet hat, erwartet ihn in seiner Heimat
lebenslange Haft. Eigentlich müssten sich die Europäer, allen voran
Deutschland, dankbar gegenüber Snowden zeigen, weil sie am meisten
von seinen Enthüllungen profitieren. Ohne Snowden würde etwa das
Handy der Kanzlerin heute noch abgehört. Doch genau das Gegenteil von
Dank ist der Fall. Die Bundesregierung vertritt die Meinung, Snowden
wäre in Moskau gut aufgehoben - in der Machtsphäre des Autokraten
Wladimir Putin. Man überlässt Snowden der Gnade des Ex-KGB-Spions
Putin, die sich schnell in Ungnade verwandeln kann. Das ist nicht nur
ein Schlag ins Gesicht Snowdens, sondern ein entmutigendes Signal an
alle potenziellen Whistleblower, die im Augenblick mit sich ringen,
ob sie einen Skandal öffentlich machen sollen. Die gestrige Anhörung
der britischen Geheimdienstchefs stellt vor diesem Hintergrund
genauso eine Showveranstaltung dar wie der geplante Besuch von
US-Außenminister John Kerry in Berlin. Beides besitzt zwar
Symbolkraft. Doch wegen symbolischer Gesten werden weder Amerikaner
noch Briten ihre Spione aus Deutschland abziehen. Das weiß auch die
Bundesregierung. Doch das jämmerliche Bild, das sie hier abgibt, wird
zur erbärmlichen Farce, indem eine deutsche Delegation Snwoden nun in
Moskau befragen soll. Um einen Konflikt mit den USA zu vermeiden,
wird das Treffen in einer der Welthauptstädte der Unfreiheit
stattfinden. Das stellt den Höhepunkt der deutschen Selbstdemütigung
dar. Anstatt Snowden zu uns zu holen und sich als europäische
Führungsmacht selbstbewusst gegen den US-Überwachungswahn zu stellen,
beschwört man den Zusammenhalt des transatlantischen Bündnisses. Das
ist ein fadenscheiniger Vorwand, mit dem sich die Merkel-Regierung
freimütig für die Rolle eines katzbuckelnden Vasallen Washingtons
hergibt. Denn die Beziehungen zu den USA sind bereits auf einem
Tiefpunkt und so zerrüttet wie seit Gerhard Schröders Verweigerung
zum Irak-Krieg nicht mehr. Die Amerikaner behandeln Deutschland in
puncto Spionage wie einen Feindstaat. Was sich an den Beziehungen
noch verschlechtern sollte, falls man Snowden ein Aufenthaltsrecht
bei uns gewähren würde, ist völlig rätselhaft. Vielmehr hinterlassen
die diplomatischen Verrenkungen fast den Eindruck, dass unsere
Regierung die US-Praktiken insgeheim noch gutheißt.
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