(ots) - Die Sorge der Israelis über einen nuklear
bewaffneten Iran ist mehr als berechtigt. Teheran erkennt bis heute
das Existenzrecht des jüdischen Staates nicht an. Die Mullahs drohen
in ihrer offiziellen Propaganda weiter mit der Zerstörung Israels.
Die gefährlichste Massenvernichtungswaffe in den Händen eines solchen
Regimes muss ein Land beunruhigen, für dessen Einwohner der Holocaust
mehr als ein historisches Ereignis ist. So verständlich das
Misstrauen gegenüber den Absichten des Iran bleibt, so unangemessen
erscheint dagegen die Stimmungsmache, mit der Benjamin Netanyahu
versucht, ein Zwischenabkommen bei den 5+1-Gesprächen in Genf zu
unterminieren. Zu suggerieren, die Verhandlungsparteien "schenkten"
dem Gottesstaat die Atombombe, ist ebenso eine Ãœbertreibung wie die
Warnung vor iranischen Raketen, die sich eines Tages auch auf
deutsche oder amerikanische Städte richten könnten. Es finden sich
nur wenige Experten, die diese Einschätzung teilen. Bibi erweist sich
damit einen Bärendienst, weil er eine Einigung letztlich nicht
verhindern kann. Gleichzeitig aber untergräbt er mit der sehr
öffentlichen Kritik das Vertrauen seines wichtigsten Bündnispartners.
US-Präsident Barack Obama sollte sich nicht davon abbringen lassen,
die neue Führung in Teheran mit dem Zwischenabkommen auf die Probe zu
stellen. Der angestrebte Druck auf den Pausenknopf täte genau das. Er
verschaffte den Beteiligten ein halbes Jahr Spielraum, eine
umfassende Einigung im Atomstreit auszuhandeln. Dann wird sich
zeigen, ob die neue Führung in Iran bloß einen anderen Stil versucht
oder auch in der Substanz zu besseren Einsichten gelangt ist. Die
Alternative zu dem diplomatischen Zwischenschritt wäre eine Spirale,
die fast zwangsläufig in einen militärischen Konflikt mündete. Obama
verbliebe ohne das Einfrieren des Status Quo nicht mehr viel Zeit,
Iran daran zu hindern, eine Atombombe zu bauen. Die Mullahs haben
eine Generation neuer Zentrifugen zur Urananreicherung im Lager, die
sie jederzeit in Betrieb nehmen können. Bis zur Bombe bliebe es von
da aus nur noch ein kleiner Schritt. US-Präsident Obama steht im
Wort, dies zu verhindern. Der einzige Weg, sein Versprechen zu
halten, ohne einen neuen Nahostkrieg zu riskieren, ist ein Durchbruch
bei den Atomverhandlungen. Was das genau bedeutet, beschreibt im Kern
den Interessenkonflikt zwischen Israel und den USA. Dieser geht weit
über die persönlichen Animositäten der beiden ungleichen Führer
hinaus. Den Amerikanern geht es darum, die nuklearen Kapazitäten des
Iran soweit unter Kontrolle zu halten, dass jeder Versuch eine
Atomwaffe zu bauen, rechtzeitig genug entdeckt werden könnte. Für
Netanyahu ist das nicht genug. Er hält es für nicht akzeptabel, dass
Iran über das Wissen und die Fähigkeit verfügt, sich in Zukunft
nuklear zu bewaffnen. Weil es keine Einigkeit bei der Frage gibt,
wohin die Reise gehen soll, gibt es auch keine gemeinsame
Marschrichtung. Statt die Position der P5+1-Unterhändler in Genf zu
schwächen täte der israelische Ministerpräsident gut daran, hinter
den Kulissen an den Bedingungen für eine diplomatische Lösung des
Atomstreits zu arbeiten. Dazu gehören in letzter Instanz klare und
überprüfbare Vorgaben bei der Urananreicherung sowie der
Nichtweiterbau des Plutonium-Kraftwerks im iranischen Arak.
Verständlicherweise reagiert das Weiße Haus zunehmend verschnupft auf
das Verhalten des israelischen Ministerpräsidenten. Zumal es
Netanyahu nicht bei einer PR-Offensive in den Medien belässt, sondern
sich einmal mehr in die inneren Angelegenheiten der USA einmischt.
Mit Hilfe der Israel-Lobby AIPAC bearbeitet seine Regierung Senatoren
und Kongress-Abgeordnete, kurzfristig neue Sanktionen gegen Iran zu
beschließen. Weise kann Netanyahus Sabotage-Taktik nicht sein, da
Israel am Ende auf die Supermacht und deren Präsidenten angewiesen
bleibt. Er hat keinen besseren Verbündeten.
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