(ots) - Die Türkei Mitglied der EU, die Ukraine eng mit
ihr assoziiert? Zwei Seelen wohnen bei dieser Frage in der Brust der
Deutschen, ja, fast aller Europäer. Denn das sind Länder, die wie die
Türkei entweder kulturell und religiös zu fremdartig oder wie die
Ukraine ökonomisch und politisch zu fern von uns sind. Einerseits.
Andererseits darf die Türkei nicht dem Islamismus anheimfallen und
die Ukraine nicht der Vorherrschaft eines Russland, das seine
Großmachtinteressen immer skrupelloser durchsetzt. Und die Jugend
dieser Länder möchte ein freies, modernes Leben. Noch gibt es ein
Fenster der Gelegenheit. Doch, wie der Fall Ukraine zeigt, es ist
nicht lange offen. Denn die Gegenkräfte sind stark. In Kiew haben
nach der orangen Revolution die alten Mächte wieder die Oberhand. Und
Russland droht und drückt. An beidem ist die so nahe Assoziierung mit
der EU vorerst gescheitert. Es ist nicht die Schuld der EU gewesen.
Sie konnte gar nicht anders, als auf eine Beendigung der selektiven
Strafverfolgung zu bestehen, wie sie in der Haftstrafe für Julia
Timoschenko zum Ausdruck kommt. Ohne Rechtsstaat keine Assoziierung.
Und doch zeigt der Fall, wie schnell Chancen vergehen können, die
vielleicht bald nicht wiederkommen. Man spürt, wie schwer dieser
Rückschlag wiegt. In Kiew sind am Donnerstag die Hoffnungen einer
ganzen Generation gestorben. Für den Umgang mit der Türkei muss das
eine Lehre sein. Im Entwurf des Koalitionsvertrages von Union und SPD
wird jedoch offen gelassen, ob man die Türkei in der EU will oder
nicht. Dabei tobt auch in Ankara ein Machtkampf. Auf der einen Seite
die Politik von Premier Erdogan, zurück zum Islam und zum
Nationalismus, auf der anderen Seite die bei den Protesten im
Gezi-Park in Istanbul deutlich gewordenen Hoffnungen der Jugend und
der modernen bürgerlichen Schichten. Was, wenn auch von dort bald die
Nachricht kommt, dass man Europa gar nicht mehr will? Europa und
Deutschland müssen sich ihrer langfristigen strategischen Interessen
und ihrer Werteorientierung besinnen. Das Ziel muss es sein, aus
allen Völkern des Kontinents - am Ende auch Russland - eine wie auch
immer kooperierende Staatengemeinschaft der Demokratien und des
sozialen Wohlstands zu machen. Das ist die europäische Idee, und
dieses Angebot muss trotz aller Rückschläge stehen.
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