(ots) - Wladimir Putin hat Kreide gefressen. Wer erwartet
hatte, der russische Präsident werde seine Rede an die Nation nutzen,
um den Streit mit der EU um die Ukraine anzufachen, der sah sich
getäuscht. Die sonst übliche antiwestliche Rhetorik ließ er am
Donnerstag beiseite. Putins ungewohnte Milde war umso beachtlicher,
als sich fast zeitgleich die US-Regierung scharf in der Ukraine-Frage
positionierte. Washington warnte die Herrschenden in Kiew vor dem
Einsatz von Gewalt und drohte mit Sanktionen. Ãœblicherweise werden
Strafmaßnahmen dieser Art gegen offene Diktaturen wie den Iran oder
Syrien verhängt. Die leisen Töne in Moskau und das Säbelrasseln in
Washington verraten viel über den Stand des geopolitischen Ringens.
Putin hat es derzeit nicht nötig, zu poltern. Er hat die letzte Runde
bekanntlich gewonnen. Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch
ließ das Assoziierungsabkommen mit der EU kurzfristig platzen. Er
will lieber ein umfangreiches Kooperationspaket mit Putin schnüren.
Die EU dagegen hat derzeit wenig in der Hand, um die Ukraine doch
noch auf Westkurs zu ziehen - zumal sie Geld nicht in die Hand nehmen
will. Zumindest nicht im großen Stil. Man werde sich vom Pokerspieler
Janukowitsch nicht ausnehmen und schon gar nicht über den Tisch
ziehen lassen, heißt es in Brüssel. Das ist gut gebrüllt, und es ist
auch richtig so. Janukowitsch, wie man ihn kennt, würde die
Milliarden nehmen und weitermachen wie bisher. Noch immer zockt er.
Angeblich will er doch bald das Abkommen mit der EU unterzeichnen,
wie er der Brüsseler Außenbeauftragten Catherine Ashton sagte. Ernst
nehmen kann man das bei einem Mann, der dutzendfach sein Wort
gebrochen hat, nur bedingt. Bleibt die Hoffnung auf die Opposition.
Seit Tagen ist in Kiew von einem Runden Tisch die Rede. Aber
Gespräche sind keine Garantie, dass alles gut wird. Einen Runden
Tisch gab es schon einmal in Kiew. Das war 2004 während der
Revolution in Orange. Heraus kamen damals faule Kompromisse, die
entscheidend zu den lähmenden Ereignissen der Folgejahre beitrugen.
Die Perspektiven für die Ukraine sind in diesen lichtarmen
Dezembertagen weiter düster.
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