(ots) - Seit dem vergangenen Freitag ist eine Delegation
der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Besuch im Heiligen
Land.
Am heutigen dritten Aventssonntag predigte der Vorsitzende des
Rates, Nikolaus Schneider, im Gottesdienst in der Erlöserkirche in
Jerusalem: In Aufnahme des Predigttextes (Offenbarung 3, 1-6) sagte
er: "Auch wir leiden daran, dass trotz Jesu Ankunft, damals vor mehr
als zwei Jahrtausenden, in unserer Welt noch immer so viele Tränen
geweint werden müssen, noch immer so viel Blut gewaltsam vergossen
wird, noch immer die Würde so vieler Menschen verletzt und geschändet
wird." Auch nach fast zweitausend Jahren Kirchengeschichte, so der
Ratsvorsitzende weiter, warteten wir darauf, "dass Güte und Treue
einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen, dass Treue
auf Erden wachse und Gerechtigkeit vom Himmel schaue", wie es in
Psalm 85 heiße. Noch gelte dies für die Lebensbedingungen so vieler
Menschen als nicht erfüllt, "weder hier in diesem Land noch bei uns
in Europa" und zu oft laufe Christi Auftrag, "Licht der Welt" und
"Salz der Erde" zu sein, "bei uns ins Leere."
Der Ruf des Predigttestes "Werde wach!" gelte auch uns und unserer
Kirche. Schneider: "Auch wir brauchen die adventliche Botschaft vom
,Kommen des Gekommenen'. Auch wir brauchen 'Ohren, die hören, was der
Geist den Gemeinden heute sagt' - hier in Jerusalem und für alle Orte
dieser Erde. Damit uns das neue Jerusalem zu einer ewigen Heimat
wird, die schon heute unser Leben bestimmt und erhellt."
http://www.evangelische-kirche.de/presse/pm243_213_reise_ins_heili
ge_land.html
Hannover/Jerusalem, 15. Dezember 2013
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick
Es gilt das gesprochene Wort!
Dr. h.c. Nikolaus Schneider
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD)
Predigt über Offenbarung 3, 1-6
im Gottesdienst am 3. Advent 2013 in der Erlöserkirche Jerusalem
anlässlich einer Ratsreise nach Israel
Liebe Gemeinde!
Als christliche Gemeinde einen Adventssonntag in Jerusalem feiern
- das ist schon etwas ganz Besonderes!
In diesem Land und an diesem Ort ergreift die Ankunft Jesu Christi
unser Fühlen und Denken in ganz anschaulicher Weise. Die Verflechtung
von Erinnerungstexten und Zukunftsverheißungen bricht manche gewohnte
Denkstruktur in uns auf: Dass Erinnerungen lebendig werden und
Zukunftsverheißungen die Gegenwart bestimmen können, das wird uns
hier greifbar und manchmal sogar begreifbar.
In diesem Land und für diese Stadt wurde die alte und uns bis
heute bewegende Verheißung des Propheten Jesaja ausgesprochen: "Mache
dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit
des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das
Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und
seine Herrlichkeit erscheint über dir."(Jesaja 60, 1f)
In diesem Land wurde Jesus geboren. Von diesem Land aus
verbreitete sich die Engel-Botschaft: "Fürchtet euch nicht! Siehe,
ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird;
denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der
Herr, in der Stadt Davids."(Lukas 2,10f)
In dieser Stadt wurde Jesus für uns zum "Erlöser" - der Name
dieser Kirche erinnert uns daran. In dieser Stadt starb Jesus am
Kreuz. Hier durchlitt und überwand er den Tod. Hier erschien der
Auferstandene seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern. Von dieser
Stadt aus verbreitete sich die Botschaft: "dass Christus gestorben
ist für unsere Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden
ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift,
und dass er gesehen worden ist..."(1.Korinther 15, 3b.4.5a) Und eine
mit dem Namen dieser Stadt verbundene Verheißung ist es, die uns zur
Kraftquelle für eine oft so friedlose und leidvolle Gegenwart wird:
"Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; ... Und ich sah
die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel
herabkommen, ... Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her,
die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird
bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott
mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen
von ihren Augen,..." (Offenbarung 21, 1-4)
Liebe Gemeinde,
als Christinnen und Christen einen Adventssonntag hier in
Jerusalem feiern -das ist wirklich etwas ganz Besonderes! Lassen wir
uns in diesem Land und an diesem Ort von der adventlichen
Verflechtung biblischer Erinnerungstexte und Zukunftsverheißungen
ergreifen. Lassen wir die adventliche Botschaft vom Kommen des
Erlösers für unsere Gegenwart lebendig werden - hier in Jerusalem und
für alle Orte dieser Erde.
Der Predigttext für diesen dritten Sonntag im Advent steht im Buch
der Offenbarung des Johannes, in den Versen 1 bis 6 des dritten
Kapitels. In einer Vision erhielt Johannes vom himmlischen Christus
den Auftrag: "Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das
sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne:
Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, das du lebst, und bist
tot. Werde wach und stärke das andre, das sterben will, denn ich habe
deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott. So denke
nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und
tue Buße!
Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb und
du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde.
Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben;
die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind's
wert.
Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und
ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und
ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen
Engeln. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt."
Das ist kein Predigttext, der uns in eine süßlich-kitschige
Weihnachtsstimmung versetzt, liebe Gemeinde. Wohl ist dieser Text aus
dem Buch der Offenbarung des Johannes ein adventlicher Text. Er will
uns durchaus auf das "Kommen des Gekommenen" vorbereiten. Aber der
Predigttext redet dabei keiner vordergründigen Weihnachtsseligkeit
das Wort. Er setzt uns Christenmenschen keine rosarote Brille auf die
inneren und äußeren Augen, um unsere Frömmigkeit und unser
Gemeindeleben weich zu zeichnen und zu beschönigen.
Der Predigttext will uns wachrütteln. "Werde wach und stärke das
andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als
vollkommen befunden vor meinem Gott."-, so schrieb der Visionär
Johannes an die Gemeinde von Sardes und verwies auf ein schuldhaftes
Verhalten vieler Gemeindeglieder. Auch zu urchristlichen Zeiten waren
Christenmenschen und waren christliche Gemeinden also nicht
vollkommen. Menschen wurden damals und Menschen werden heute dem
Namen Gottes, von dem und in dem sie leben, durch ihr eigenes Tun und
Lassen niemals gerecht.
"Mit Ernst, o Menschenkinder" sollen wir deshalb 'das Herz in uns
bestellen' - so wie wir es einander mit dem Wochenlied zugesungen
haben - damit Jesus Christus als 'Licht und Leben' ganz nachhaltig in
unsere Herzen und in unsere Gemeinden einziehen kann; damit die
adventliche Vision des Johannes uns einen kritischen und
selbstkritischen Blick auf unser Glaubens- und Gemeindeleben schenkt;
damit wir uns immer wieder neu zu Buße und Umkehr bewegen lassen.
Der Visionär Johannes war fest davon überzeugt, dass Jesus der von
den Propheten Israels versprochen Messias ist. Der Messias aber
sollte nach den alten Weissagungen doch die Erlösung von
Knechtschaft, Unrecht und Gewalt bringen. Jesu Kommen aber hatte die
Welt augenscheinlich nicht verändert. Der 'Friede auf Erden', von dem
die Engel bei Jesu Geburt gesungen hatten, war nicht in Sicht.
Der Visionär Johannes sah das Unrecht und die Not seiner Zeit. Er
sah die bedrängte Lage, in der sich viele seiner Glaubensgeschwister
und viele kleinasiatische Gemeinden befanden. Johannes deutete das
Unrecht und die Not seiner Zeit in der Perspektive eines von ihm
"geschauten" Weltendes: All das Unheil, was jetzt noch geschah,
gehörte für ihn zum Todeskampf der alten Welt, die vergehen muss. All
die Schmerzen, die Menschen jetzt noch erleiden müssen, gehörten zu
den Geburtswehen der neuen Zeit, die mit Jesus Christus schon
angebrochen war. Johannes war sich gewiss, dass das Ende der alten
Welt sich ankündigte. Er ging davon aus, dass die erneute Ankunft
Christi als Weltenrichter zur vollständigen Erlösung der Seinen ganz
nahe bevorsteht.
Jetzt, in dieser "letzten Zeit", müssen Glaubende zwar noch
leiden, aber durch das Leiden führt ihr Weg in die Herrlichkeit des
Gottesreiches. Der gekommene Messias wird bald wiederkommen. Das
Gottesreich wird bald siegreich und vollständig anbrechen. Für
Christenmenschen und für christliche Gemeinden kommt es jetzt darauf
an, trotz aller Bedrängnisse den vielfältigen Anfechtungen nicht zu
erliegen; in allen Bedrängnissen durchzuhalten und treu zu bleiben
bis Christus kommt.
In Zeiten des Schreckens rief Johannes seine Glaubensgeschwister
dazu auf, an dem festzuhalten, was sie von Jesu Leben, Sterben und
Auferstehen gehört und gelernt hatten: "Blinde sehen und Lahme gehen,
Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen
wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir
ärgert."(Matthäus 11,5f), daran wollte Jesus als der erwartete
Messias erkannt werden. Wir haben es in der Evangeliums-Lesung dieses
Gottesdienstes gehört.
"So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte
es fest und tue Buße!", das schrieb Johannes damals an die Gemeinde
in Sardes. Und das gilt durch die Zeiten bis in unsere Gegenwart.
Denn: Wer mit seinem Glauben und mit seinem Gottvertrauen an der
gegenwärtigen Wirklichkeit nicht scheitert, wer in allen Bedrängnisse
und Anfechtungen daran festhält, dass Jesus der erwartete Messias war
und ist und sein wird, der kann und darf sich unzerstörbaren Lebens
im neuen Jerusalem gewiss sein.
"Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und
ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und
ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen
Engeln."- so sagte es der Visionär vor fast 2000 Jahren der Gemeinde
in Sardes zu. Und darauf hoffen und setzen wir auch heute.
Denn auch wir leiden daran, dass trotz Jesu Ankunft, damals vor
mehr als zwei Jahrtausenden, in unserer Welt noch immer so viele
Tränen geweint werden müssen, noch immer so viel Blut gewaltsam
vergossen wird, noch immer die Würde so vieler Menschen verletzt und
geschändet wird.
Auch nach unserer fast zweitausendjährigen Kirchengeschichte beten
und bitten wir mit den Worten aus Psalm 85, wie wir es zu Beginn
dieses Gottesdienstes getan haben, "dass Güte und Treue einander
begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen, dass Treue auf Erden
wachse und Gerechtigkeit vom Himmel schaue". Denn noch immer ist
diese Bitte für die Lebensbedingungen so vieler Menschen nicht
erfüllt. Weder hier in diesem Land noch bei uns in Europa.
Ein kritischer und selbstkritischer Blick auf uns und unsere
Gemeinden zeigt doch: Auch unsere Frömmigkeit und auch unsere
Gemeinden können dem Namen Gottes nicht gerecht werden. Nur zu oft
"sterben" unsere adventlichen Erwartungen den Tod eines hoffnungs-und
tatenlosen Sich-Abfindens mit der vorfindlichen Wirklichkeit. Und die
Bitte "Dein Reich komme, Herr" wird uns zu einer realitätsfernen und
für unseren Alltag belanglosen Floskel. Nur zu oft "stirbt" unser
Glaube den Tod einer kritiklosen Anpassung an Mehrheitsmeinungen und
an vermeintliche Sachzwänge. Und Christi Auftrag an seine
Nachfolgerinnen und Nachfolger, ein "Licht der Welt" und das "Salz
der Erde" zu sein, läuft bei uns ins Leere.
"Werde wach!" -, der Ruf des Predigttextes gilt auch uns und
unserer Kirche. Auch wir brauchen die adventliche Botschaft vom
"Kommen des Gekommenen". Auch wir brauchen 'Ohren, die hören, was der
Geist den Gemeinden heute sagt' - hier in Jerusalem und für alle Orte
dieser Erde. Damit uns das neue Jerusalem zu einer ewigen Heimat
wird, die schon heute unser Leben bestimmt und erhellt.
Amen.
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