(ots) - Barack Obama ist ein großer Freund der telegenen
Symbolik. Spricht er über Re-Industrialisierung der USA, lässt er
schon mal ein paar Gabelstapler oder Metallpressen im Hintergrund
arrangieren. Geht es um die Bildungsmisere an US-Grundschulen, bilden
besorgt dreinblickende Mütter eine Kulisse, die an sich schon die
Botschaft ist. Der Aussöhnung mit der islamischen Welt widmete Obama
sich in Kairo, der atomaren Abrüstung in Prag, hinter dem einstigen
Eisernen Vorhang. Kein Wunder, dass die Publicity-Experten des Weißen
Hauses es schon für ein starkes Signal hielten, wo ihr Chef seine
Rede über den außer Kontrolle geratenen Spionageapparat halten
sollte: im Justizministerium zu Washington, nicht etwa in Fort Meade,
am Sitz der NSA. Es sollte nachdenklich wirken, reformfreundlich: Am
Pult sollte weniger der Oberbefehlshaber stehen, mehr der Dozent für
Verfassungsrecht, der Obama einmal gewesen war, bevor er die
politische Bühne betrat. Die Substanz freilich blieb deutlich zurück
hinter der großen Symbolik. Wer einen Meilenstein erwartet hatte, sah
sich enttäuscht. Interessant immerhin, wie unzweideutig Mister
President den verbündeten Europäern versprach, dass ihre Staats- und
Regierungschefs nicht mehr belauscht würden. Sonst klingt es eher
nach ein paar Reförmchen, und stellenweise hielt es Obama mit der
alten Devise, nach der man am besten einen Arbeitskreis gründet, wenn
man nicht mehr weiter weiß. In einem Satz, es war der klassische
Spagat. Und überdies eine anschauliche Studie dafür, wie gründlich
das Amt einen Politiker im Laufe der Jahre verändern kann. Als Obama
für den Senat kandidierte, hatte er den Patriot Act noch scharf
kritisiert, jenes im Terrorschock des 11. September 2001 beschlossene
Gesetz, auf dem die Big-Brother-Vollmachten der Schlapphüte bis heute
beruhen. Als es um die Kandidatenkrone seiner Partei ging, gegen
Hillary Clinton, die Favoritin mit größerer Nähe zum Establishment,
sammelte der Außenseiter Punkte, indem er sich klarer als seine
Rivalin von den Irrwegen eines George W. Bush distanzierte. Im Oval
Office entpuppte sich dann der kühne Verbalreformer als vorsichtiger
Bewahrer des Status quo, noch dazu als einer, der Whistleblower, die
Interna ausplauderten, mit einer Härte bestrafte, wie es nur wenige
seiner Amtsvorgänger vor ihm getan hatten. Eine Rede allein hat daran
noch nichts geändert, wie sollte sie auch. Noch ist offen, wie sie in
der Praxis aussehen, die Korrekturen beim Datensammeln, die der
Präsident in Aussicht gestellt hat.
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