(ots) - Hassan Ruhani ist noch nicht einmal ein halbes Jahr
im Amt - doch er hat schon jetzt geschafft, was ihm Beobachter
bestenfalls am Ende einer gesamten Amtszeit zugetraut hätten: Er hat
sein international lange geächtetes Land anscheinend aus der
Schurkenstaat-Ecke geholt. Sein Auftritt beim Weltwirtschaftsgipfel
in Davos war ein weiterer Schritt beim Wiederaufstieg des Iran in die
Liga der "ehrbaren Staaten". Erst der Atomkompromiss mit dem Westen,
der ihm die innenpolitisch wichtige Lockerung der Handelssanktionen
eingebracht hat. Und dann in der Schweiz sein charmantes Werben um
Auslandsinvestitionen in sein wirtschaftlich zugrunde gerichtetes
Land. Ruhanis Botschaft ist klar: Die Zeiten der Konfrontation sollen
nunmehr vorbei sein und der Iran wieder ein verlässlicher Partner der
internationalen Staatengemeinschaft. Dass Israels Ministerpräsident
Benjamin Netanjahu kühl auf die warmen Worte Ruhanis reagiert, war zu
erwarten. Wobei selbst er verbal abgerüstet hat: Im Gegensatz zur
UN-Vollversammlung, wo er noch mit einer großformatigen Zeichnung vor
der iranischen Atombombe gewarnt hatte, beließ er es in Davos bei
seiner Standard-Einschätzung, dass die Mullahs in Wirklichkeit doch
nur auf die Vernichtung Israels hinarbeiten würden. Von der Hand zu
weisen ist Netanjahus Warnung tatsächlich nicht - obwohl Ruhani zuvor
betont hatte, dass der Iran Frieden mit den Ländern im "Osten und
Westen, Norden und Süden" haben wolle. Er hätte einfach sagen können,
mit allen Ländern. Doch der Präsident tat es nicht, sondern
präzisierte zweideutig: Seine Regierung wolle Frieden "mit allen
Ländern, die wir offiziell anerkennen". Wohlgemerkt: Der Iran hat
Israel bis heute nicht anerkannt. Und seine Andeutung, er halte nach
35-jähriger Pause die Wiedereröffnung der US-Botschaft in Teheran für
möglich, versteckte er in einem Fernsehinterview, anstatt dies
offiziell bei seiner Davos-Rede zu sagen. Wirkliche Entspannung geht
anders - und nährt die Sorge, dass der Präsident doch nur ein
geschickter Marketingchef ist im Auftrag der echten Nummer eins im
Staat: dem erzkonservativen Ajatollah Ali Chamenei.
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