(ots) - China tut es, Iran, Kuba, Nordkorea tun es
selbstverständlich auch - und jetzt die Türkei. Zensur im Internet
ist Diktators liebstes Mittel, meistens aus einer Laune heraus oder
als Ergebnis eines Tobsuchtsanfalls. Dass der türkische
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan jetzt auch auf diese Form
moderner Bücherverbrennung verfällt, lässt tief blicken. Seine
Begründung ist kaum erwähnenswert. Es sind in etwa die gleichen
Rechtfertigungen, wie sie die Propagandaabteilungen in Peking,
Pjöngjang und Teheran vorhalten. Entscheidender sind da schon die
Erfahrungen, die die vermeintlichen Meinungs- und Gedankenzensoren in
anderen kontrollwütigen Regimen gemacht haben - aus ihrer Sicht nur
schlechte. In China, zum Beispiel, scheitert der Versuch einer
durchgreifende Kontrolle des Internets immer wieder am hohen
technischen Fortschritt des Landes. Freie Geister sind eben meist
auch kluge Köpfe, denen es gelingt, die große Mauer elektronisch zu
untertunneln und aus dem geschlossen System auszubrechen. Die Türkei
kann es auch nicht halten wie Kuba, das aufgrund seiner völlig
veralteten Technik und fehlender Telefonanschlüsse noch am ehesten
aus dem weltweiten Netz des freien Austausches auszusperren ist. Mag
sein, dass Erdogan bei seinem jüngsten Besuch in Teheran iranische
Kontrolltechnik geordert hat. Der Mullahstaat ist auf diesem Gebiet
führend. Er hat in den letzten Jahren selbst Chinas Internetpolizei
beeindruckt. Wie auch immer: Wer Nachrichtenkanäle verstopft,
erreicht in der Sache wenig, verliert dafür aber um so mehr an
internationalem Ansehen. Das Problem: Erdogan geht es gar nicht um
sein Renommee in anderen Staaten. Sonst hätte er wohl kaum dermaßen
hart zugeschlagen, als im Sommer 2013 vom Istanbuler Gezipark aus
eine Welle von Protesten des aufgeklärten Bürgertums gegen seinen
islamisch-konservativen Kurs losbrach. Auch die jüngsten Säuberungen
in Polizei und Justiz sind nicht allein Ausdruck interner Machtkämpfe
mit der Gülen-Bewegung. Die Strafversetzungen stehen vor allem für
eines: Polizeistaatmethoden - und darin gefällt sich Sultan Erdogan.
Seine Ankündigung, Internetsperren zu verschärfen, ist letztlich
nicht mehr als Wahlkampf um die Stimmen von Ignoranten und
Unwissenden. Alle, die ungebildet sind und bleiben sollen, wie es dem
Frauenbild in den Weiten Anatoliens bis heute entspricht, mögen diese
Ankündigung begrüßen. Die türkischen Internetnutzer haben auch bisher
Warnhinweise ignoriert, wenn sie etwa YouTube aufgerufen haben.
Künftig wird es also einige Verbotsschilder und Umleitungen mehr
geben. Die Behörden können jetzt ohne richterlichen Beschluss
handeln, aber das war es dann auch schon. Bitter: Erdogan macht mit
Dummheit Politik und könnte gerade deswegen noch in diesem Jahr
Präsident des EU-Beitrittskandidaten Türkei werden.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261