(ots) - Der türkische Ministerpräsident Erdogan steht am
Beginn eines Jahres, in dem er Präsident werden will. Alles wird
diesem Ziel untergeordnet. Auf dem Weg in den Präsidentenpalast geht
der 59-Jährige deshalb knallhart gegen angebliche
regierungsfeindliche Verschwörer vor: ob das nun die Zwangsversetzung
von Tausenden Polizisten sowie Richtern oder Staatsanwälten betrifft,
die nach dem Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe gegen Erdogans
Regierung ihre Posten räumen mussten, oder das jetzt verabschiedete
neue Internetgesetz. Rechtsstaatliche Bedenken gegen das Gesetz, das
es den Behörden ermöglicht, unliebsame Netz-Inhalte schnell zu
sperren, wurden ignoriert. Damit bricht Erdogan viele Brücken ab,
auch mit Blick auf die türkische EU-Bewerbung. Viele Experten sind
sich einig, dass das neue Gesetz spätestens vom Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof gestoppt wird. Doch die europäischen
Vorgaben sind für Erdogan derzeit weniger wichtig als sein großes
politisches Ziel. Schon in den vergangenen Jahren hat es in der
Erdogan'schen Europapolitik immer wieder Rückschläge und Rückschritte
gegeben, die das Verhältnis zu Brüssel trübten. Am Ende aber kamen
beide Seiten jedes Mal überein, weiter im Gespräch zu bleiben.
Möglicherweise wird das auch diesmal beim Internetgesetz so sein.
Doch unbeschadet werden die Beziehungen zwischen der Türkei und der
EU nicht aus dieser Krise hervorgehen. Mit dem von einem autoritären
Geist geprägten Gesetz zehrt Erdogan einen Teil seines verbliebenen
Kapitals an Glaubwürdigkeit in Brüssel auf. Selbst wenn er den
Schaden später - zum Beispiel nach der Präsidentschaftwahl - wieder
repariert, wird ein Rest Misstrauen bleiben. Erdogan tut seinem Land
keinen Gefallen.
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