Stellungnahme der Bundesregierung zur rechtlichen ZulĂ€ssigkeit von "Streaming" unter BerĂŒcksichtigung der aktuellen Entscheidung des LG Köln vom 24.01

ID: 1018916

Nachdem am 09.10.2013 das Gesetz gegen unseriöse GeschĂ€ftspraktiken in Kraft getreten ist und hierdurch unter anderem durch die Deckelung der Streitwerte in den meisten Filesharing-FĂ€llen die zu ersetzenden Anwaltskosten deutlich gesenkt wurden, haben sich offenbar einige Anwaltskanzleien neue BetĂ€tigungsfelder erschlossen. Anfang Dezember 2013 versandte die Regensburger Kanzlei Urman + Collegen (U+C) im Auftrag der "The Archive AG" Abmahnungen an die Nutzer des Videostreaming-Portals Redtube.com. Nach den bisher vorliegenden Informationen wurden in etwa 30.000 Abmahnungen versandt und darin jeweils 250 € geltend gemacht.

(firmenpresse) - UnabhĂ€ngig von der Frage, ob die Gerichte die IP Adressen der Nutzer ĂŒberhaupt herausgeben durften, ob falsche Angaben gegenĂŒber dem Gericht gemacht wurden, ob die Rechtekette zum Urheber der jeweiligen Werke lĂŒckenlos ist, ist rechtlich keinesfalls geklĂ€rt, ob das reine Betrachten eines Streams ĂŒber den Internetbrowser ĂŒberhaupt eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Die Bundesregierung hat aufgrund einer kleinen Anfrage verschiedener Abgeordneter des Bundestages eine Stellungnahme zu diesem Punkt abgegeben.

HĂ€lt die Bundesregierung Streaming fĂŒr zulĂ€ssig ?

Die Bundesregierung kommt in ihrer Stellungnahme zu dem Schluss, dass das reine Betrachten eines Videostreams keine Urheberrechtsverletzung darstellt. Ausgangspunkt fĂŒr diese rechtliche Beurteilung sind die Vorschriften §§ 44a UrhG und 53 Abs. 1 UrhG.

Nach der Rechtsauffassung des Bundesjustizministeriums unterfĂ€llt das Streaming grundsĂ€tzlich schon dem § 44a UrhG. Nach dieser Vorschrift sind VervielfĂ€ltigungen eines Werks ohne Zustimmung des Inhabers zulĂ€ssig, wenn es sich nur um "flĂŒchtige" Kopien handelt, die als Begleiterscheinung einer Übertragung erstellt werden. Beim Betrachten eines Streams wird das angesehene Video nicht vollstĂ€ndig und dauerhaft auf der Festplatte gespeichert, sondern es wird nur eine temporĂ€re Kopie im Zwischenspeicher des Browsers (Cache) abgelegt.

Weiterhin verweist die Bundesregierung auf die Vorschrift des § 53 Abs. 1 UrhG. Demnach sind einzelne Kopien eines Werks zulÀssig, wenn die VervielfÀltigung nur zum privaten Gebrauch erfolgt (Privatkopie). Vor allem in Ansehnung dieser Vorschrift wird von einer ZulÀssigkeit des Betrachtens eines Videostreams ausgegangen.

Bewertung dieser Stellungnahme

Die Bundesregierung verweist - zu Recht - darauf, dass die Frage einer Rechtsverletzung durch Streaming letztlich nur durch die Gerichte geklĂ€rt werden kann. Die Äußerung des Justizministeriums ist zwar rechtlich interessant, fĂŒr die Praxis jedoch ohne Bedeutung.





Zudem begegnet die dort vertretene Auffassung rechtlichen Bedenken. Der Autor teilt diese insoweit nicht, als dass er § 44a UrhG auf diese FĂ€lle nicht uneingeschrĂ€nkt fĂŒr anwendbar hĂ€lt. Beim Betrachten eines Streams wird (zumindest bei den gĂ€ngigen Browsern) eine vollstĂ€ndige Kopie des Werks im Zwischenspeicher abgelegt. Durch die Hilfe von frei verfĂŒgbaren Plugins kann diese Kopie ohne weitergehende technische Kenntnisse dauerhaft auf der Festplatte gespeichert werden. Das Argument, es handelt sich bei einem Stream stets nur um eine flĂŒchtige Kopie, muss daher relativiert werden. Solange die technische Möglichkeit besteht, ohne weiteres die "FlĂŒchtigkeit" der Kopie aufzuheben, darf § 44a UrhG nicht uneingeschrĂ€nkt angewandt werden.

Auch die Vorschrift des § 53 Abs. 1 UrhG birgt fĂŒr den Nutzer in diesem Kontext große rechtliche Gefahr. Eine Privatkopie ist immer dann nicht zulĂ€ssig, wenn zur VervielfĂ€ltigung keine offensichtlich rechtswidrige Vorlage verwendet wurde. Diese Rechtswidrigkeit der Vorlage ist erkennbar gegeben fĂŒr z.B. aktuelle Kinofilme und Filme, die noch auf BluRay / DVD veröffentlicht wurde. Das Betrachten eines solchen Films sollte daher nicht unter das Privileg des § 53 UrhG fallen. Kritischer und unĂŒberschaubarer wird die Lage dann bei Portalen wie z.B. Redtube. Hier darf der Nutzer nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass nur offensichtlich rechtswidriges Material verwendet wird. Inwieweit die PrĂŒfpflichten des Einzelnen bezĂŒglich der Rechtswidrigkeit gehen ist dabei umstritten. Zu Recht weist die Bundesregierung darauf hin, dass dem Nutzer keine "unerfĂŒllbaren" PrĂŒfpflichten auferlegt werden dĂŒrfen, und verweist auf die diesbezĂŒgliche Beweislast des Rechteinhabers. Dieser muss beweisen, dass die vervielfĂ€ltigte Vorlage offensichtlich rechtswidrig hergestellt wurde.

Das Landgericht Köln hat im Rahmen einer aktuellen Entscheidung vom 24.01.2014 zu dieser Rechtsfrage (am Rande) Stellung genommen. Die Richter kamen dabei zu der EinschĂ€tzung, dass bloßes "Streaming" einer Videodatei noch keinen Rechtsverstoß darstellt, da eine solche Handlung regelmĂ€ĂŸig durch die Vorschrift des § 44a UrhG gedeckt sein dĂŒrfte. Diese Beurteilung mag zwar fĂŒr die Redtube-FĂ€lle zutreffend sein, kann jedoch keinesfalls als generelle BestĂ€tigung der LegalitĂ€t des Streamings betrachtet werden. Zum Einen gibt es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Thema und zum Anderen - und hierauf weisen die Kölner Richter auch zu Recht hin - ist Streaming allenfalls dann zulĂ€ssig, wenn die Vorlage nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellt wurde. Die Entscheidung lĂ€sst sich wie folgt zusammenfassen:

Das Betrachten eines Streams auf Redtube ist zulÀssig

Die rechtliche Bewertung eines Streamings auf einer anderen Plattform hÀngt davon ab, ob die angesehene Datei eine offensichtlich rechtswidrige Vorlage ist

NĂ€here Bewertungskriterien fĂŒr die Einstufung einer Vorlage als offensichtlich rechtswidrig / nicht rechtswidrig lieferten die Kölner Richter leider nicht.

Solange eine rechtliche Unsicherheit dieser GrĂ¶ĂŸenordnung besteht, erachten wir es als fragwĂŒrdig, die EinschĂ€tzung abzugeben, das Betrachten von Videostreams als zulĂ€ssig im Sinne des UrhG einzustufen. Eine solche Feststellung muss aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage stets im Einzelfall ĂŒberprĂŒft werden.

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Datum: 13.02.2014 - 09:44 Uhr
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