(ots) - Wer die jüngsten Ereignisse in 
Kiew
verfolgt, dem konnte es die Sprache verschlagen. Da brennt der
Maidan, da prügeln Sondereinheiten, da werden Polizisten erschossen -
und im deutschen Fernsehen läuft Karneval. Natürlich ist das nicht
die entscheidende Frage, wer wann eine Sondersendung bringt. Die
Frage ist, was in der Ukraine eigentlich passiert. Es dominieren
Schwarz-Weiß-Sichten: Da reden die einen immer nur von einer
pro-europäischen Aufwallung, ohne die soziale und innenpolitische
Dimension des Aufstands gegen Janukowitsch zur Kenntnis zu nehmen. Da
wollen andere nur noch die rechtsradikalen Kräfte sehen, deren
Einfluss auf die Bewegung so unübersehbar ist wie die Tatsache
empört, dass sie von den europäischen Institutionen als
Gesprächspartner hofiert wurden. Da wird ein Konflikt um korrupte
Politiker und unabgegoltene Versprechen einer vergangenen Revolte in
alte Raster gepresst, die nur Pro-Moskau und Pro-Westen kennen - und
darauf anspringende Reaktionsmuster. Da wird verkannt, dass es vielen
vor allem um ihre Lebenschancen geht und sie in ihrem Ringen darum -
ja auch das: vielleicht Irrtümer begehen. Hinter wackeligen
Livestreams und kaum überprüfbaren Twitternachrichten, hinter
interessegeleiteten Berichten und emotionaler Empörung droht die
Bereitschaft zu verschwinden, die irritierende Widersprüchlichkeit
des Kiewer Winters zur Kenntnis zu nehmen. Darf man Ratlosigkeit
zugeben? Manchmal scheint es im Lichte tödlicher Konfrontation fast
besser, wenn es einem erst einmal die Sprache verschlägt.
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