(ots) - Auf dem Höhepunkt der Krimkrise Anfang März gab es
in der russischen Botschaft in Berlin ein bislang nicht bekanntes
Treffen von Altkanzler Gerhard Schröder und dem Botschafter Wladimir
M. Grinin. Auf der Agenda stand der verstärkte Ausbau des
deutsch-russischen Wirtschaftsraumes. Weitere Teilnehmer des Treffens
waren u. a. der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen
Wirtschaft Eckhard Cordes und Alexander Rahr, Russland-Experte und
gleichzeitig Berater der BASF-Tochter Wintershall, die mit dem
russischen Staatskonzern Gazprom Geschäfte macht.
Altkanzler Schröder hat zu dem Treffen jede Auskunft verweigert,
ein Interview abgelehnt und die schriftlichen Fragen des
ARD-Politikmagazins "Report Mainz" unbeantwortet gelassen. Der
Wintershall-Berater Alexander Rahr hat dieses Treffen bestätigt. Im
Interview mit "Report Mainz" sagte er: "Der Bundeskanzler Schröder
ist jemand, der diese Gespräche auch immer mit anstößt." Auch er
verweigerte allerdings jede Information darüber, was genau in der
russischen Botschaft besprochen wurde. Auf die Frage von "Report
Mainz", ob der russische Botschafter bei diesem Gespräch Anfang März
schon aufgedeckt habe, wie die Entwicklung in den nächsten 14 Tagen
in der Ukraine verlaufen würde, antwortete Rahr: "Da kann ich keinen
Kommentar dazu geben."
Schröders Rolle in der Krim-Krise einerseits als Altkanzler und
andererseits als bezahlter Lobbyist im Gasgeschäft steht zunehmend in
der Kritik, sowohl bei Osteuropaexperten als auch bei Abgeordneten
des europäischen Parlamentes. Stefan Meister, Russland-Experte vom
European Council on Foreign Relations, meint über Schröders
Doppelrolle: "Er ist seit mehreren Jahren in diesem Geschäft und er
stimmt sich auch eng ab mit der russischen Politik und Wirtschaft.
Also in der Hinsicht ist er nicht nur Politiker und Altkanzler,
sondern er ist eben jemand auch, der für die russische Wirtschaft
arbeitet." Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen sagte "Report Mainz":
"Man weiß ja, dass Schröder in den Diensten von Gazprom steht, der
ist nicht mehr frei in seiner Meinung. Es wäre unwahrscheinlich
anzunehmen, dass da nicht auch Lobbyarbeit betrieben wird." Die
Europa-Abgeordnete Rebecca Harms (B90/Die Grünen) ist sich sicher,
"dass das, was Gerhard Schröder macht im Gazprom-Imperium, sich auch
auswirkt auf Entscheidungen, die hier im Europäischen Parlament
getroffen werden". Ihr Abgeordneten-Kollege Werner Schulz sagt:
"Schröder ist insgesamt ein Lobbyist. Und andere Lobbyisten wie
Alexander Rahr - die sind echte Kreml-Propagandisten und Lobbyisten.
Und ich finde, zumindest sollte man in einer pluralistischen
Demokratie da mal einiges entgegensetzen."
Lobende Worte hingegen für den Altkanzler Gerhard Schröder findet
Alexander Rahr: "Diese Nähe zu Putin und nicht nur zu Putin, sondern
zur russischen Führungselite sind jetzt Gold wert in diesen
schwierigen Zeiten. Er ist der erste und vielleicht einzige Deutsche
oder Europäer, der so einen engen Zugang zu Putin hat."
Gerhard Schröder hatte als Bundeskanzler den Bau der Gas-Pipeline
Nordstream nach Deutschland vorangetrieben. Kurz nach seiner Amtszeit
2006 wechselte er in diese Pipeline-Firma und wurde
Aufsichtsratschef. Dafür kassiert er bis heute circa 250.000 Euro.
Nordstream ist eine Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom und
damit ein Machtwerkzeug Putins. Alexander Rahr wurde bisher in der
Öffentlichkeit weitgehend als unabhängiger Russlandexperte
wahrgenommen, der u. a. auch das Auswärtige Amt beriet. Seit 2012 ist
er auch Berater der Gasfirma Wintershall, einer BASF-Tochter.
Wintershall will große Teile deutscher Gasspeicher an Gazprom
verkaufen, im Gegenzug Schürfrechte an russischen Gasfeldern
erwerben. Der endgültige Deal im Wert von 20 Milliarden EUR ist für
den Frühsommer geplant.
Weitere Informationen unter SWR.de/report. Zitate gegen
Quellenangabe "Report Mainz" frei. Fragen bitte an "Report Mainz",
Tel. 06131/929-33351.