(ots) - Afghanistan geht mit den heutigen
Präsidentschaftswahlen einer ungewissen Zukunft entgegen, zu der die
USA ihren Teil beigetragen haben. Die Supermacht ist nach dem
längsten Krieg ihrer Geschichte auf Rückzug eingestellt. Für das
kommende Haushaltsjahr gibt es weder für die zivile noch die
militärische Seite detaillierte Pläne wie die Unterstützung für eine
neue Regierung am Hindukusch aussehen könnte. Und niemand hat bisher
definiert, was es bedeutet, wenn das ausgehandelte aber bisher nicht
in Kraft gesetzte bilaterale Sicherheitsabkommen am Ende tatsächlich
scheitern sollte. In diesem Fall hat Präsident Obama mit der »Null
Option« gedroht, die wörtlich genommen einen vollständigen Rückzug
aller amerikanischen Soldaten mit sich brächte. Für die noch
unerfahrenen Streitkräfte Afghanistans wäre dies eine
Herausforderung, der sie nicht gewachsen sind. Keinen anderen Schluss
lässt die jüngste Aussage des Befehlshabers der US-Truppen am
Hindukusch, General Josph Dunford, im Kongress zu. Ohne amerikanische
Militärberater, Ausbilder und eine schnelle Eingreif-Truppe droht dem
zerrissenen Land wachsende Instabilität. Ein Rezept, das Scheitern
fast garantiert. Andererseits haben die USA die Nase voll, sich von
einer korrupten Regierung in Kabul auf der Nase herum tanzen zu
lassen. Obama findet sich damit im Einklang mit seinen Landsleuten,
die ein weiteres Engagement in Afghanistan ablehnen. 82 Prozent der
Amerikaner - Republikaner und Demokraten gleichermaßen - sind der
Ansicht, dass es Zeit wird, sich zurückzuziehen. So unbeliebt war
nicht einmal der Vietnam-Krieg. Bei aller Enttäuschung über
Amtsinhaber Hamid Karsai wäre dies das falsche Signal. Das Land hat
Dank der Milliardenhilfen aus dem Westen Fortschritte gemacht.
Während 2001 beim Sturz der Taliban keine Mädchen und nur eine
Millionen Jungen zur Schule gingen, lernen heute fast acht Millionen
Kinder lesen, rechnen und schreiben. Obwohl immer noch schwierig,
haben Frauen mehr Rechte, und es gibt eine blühende Medienlandschaft.
Ermutigend ist das Interesse der Afghanen an den
Präsidentschaftswahlen. Sie trotzen der Gewalt der Taliban und
stimmen mit den Füßen ab, wenn sie morgen an die Urnen gehen. Wer
auch immer als Sieger aus diesen Wahlen hervorgeht, sollte eine
Chance bekommen, es besser als Karsai zu machen. So sehr dieser das
Weiße Haus verärgert hat, als er es ablehnte, das von der Loya Jirga
abgesegnete Truppenstatut in Kraft zu setzen, so sehr tat er seinem
Nachfolger damit einen Gefallen. Mit der Legitimität von Wahlen im
Rücken könnte dieser das Abkommen unterschreiben und damit die Tür zu
einem Neuanfang aufstoßen. Dann liegt es an Washington, die Afghanen
nicht im Stich zu lassen. Das Land wird noch lange Hilfe brauchen,
damit die kleinen Fortschritte nicht schnell vergessen sind.
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