(ots) - Die Zahl der Volksinitiativen hat in der Schweiz
nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Daniel Kübler wegen einer
verstärkten Polarisierung und einer Schwächephase der
Konsensdemokratie in dem Land zuletzt zugenommen. Allein am kommenden
Sonntag stehen vier Referenden zur Abstimmung. Kübler sagte gegenüber
der in Berlin erscheinenden Tageszeitung »neues deutuschland«
(Freitagausgabe), »die Strukturen, die zur Aushandlung von großen
Mehrheiten führen, sind eindeutig beschädigt. Sie sind offensichtlich
nicht mehr in der Lage, die verschiedenen Strömungen im Stimmvolk
aufzunehmen und zu kanalisieren.«
Der Direktor des Zentrums für Demokratie Aarau (ZDA) bescheinigt
den Schweizern darüber hinaus eine Grundeinstellung »rechts der
Mitte«. Die politischen Kräfte der Eidgenossenschaft seien mit denen
in anderen Ländern Europas vergleichbar. »Aber die Kräfteverhältnisse
sind anders.« Für die »Abzockerinitiative« zur Begrenzung von
Managervergütungen, die im März angenommen wurde, dürfte es auch
anderswo in Europa eine Mehrheit geben. »Aber nehmen Sie die
Initiative gegen den Bau von Minaretten - ich glaube nicht, dass sich
anderswo eine Mehrheit dafür fände«, so Kübler.
Der Professor an der Universität Zürich sagte weiter, dies
schmälere jedoch nicht die Bedeutung von direkter Demokratie. Sie
habe »zur Integration der Willensnation Schweiz über die
Sprachgrenzen und über die religiösen Unterschiede hinweg
beigetragen«. Kübler könne sich daher auch vorstellen, dass
europaweite Referenden einen günstigen Einfluss auf die Entstehung
einer europäischen Öffentlichkeit haben könnten.
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