(ots) - Erbärmlich - so bezeichnet der luxemburgische
Außenminister die Ergebnisse des EU-Gipfels und rügt damit die
Weigerung der 28 Staats-und Regierungschefs, sich auf Jean-Claude
Juncker als Kommissionspräsidenten festzulegen. Das kann man so
sehen. Doch das wäre naiv. Denn dass die bislang alleinigen Chefs im
Ring die schnelle Festlegung des Parlaments auf den Direktkandidaten
der Europäischen Volksparteien als Affront empfinden und nicht bloß
Ja und Amen dazu sagen würden, war doch wohl zu erwarten. Es geht
jetzt einerseits um eine Neujustierung der Machtverhältnisse zwischen
Parlament und Europäischem Rat, andererseits um eine politische
Weichenstellung für die kommenden fünf Jahre. Und da hat eben nicht
nur David Cameron Zweifel daran, dass EU-Veteran Juncker der rechte
Mann für einen Neustart ist. Angela Merkel bringt das in eine
Zwickmühle: Sie will die Briten in der Union halten, kann aber auch
den Schaden für Europas Ansehen ermessen, der durch eine folgenlose
Spitzenkandidatur entstünde. Teilweise hat sie sich dieses Problem
selbst eingebrockt: Sie scheint vom Luxemburger nicht ganz überzeugt,
hat sich aber auch für keinen anderen Kandidaten stark gemacht. Die
gute Nachricht ist, dass die EU im Lösen solcher Konflikte große
Erfahrung hat und die Fronten so klar auch nicht sind. Denn Juncker
ist vom Parlament noch nicht gewählt; dem müsste er erst Pläne
vorlegen, die auch die Sozialisten überzeugen. Und außer dem des
Kommissionspräsidenten sind noch mehr Posten zu vergeben. Es wird
also am Ende ein Personal- und Programmpaket geschnürt werden. Das
ist keine Hinterzimmer-Kungelei, sondern ein schwieriges Ringen um
einen Interessenausgleich, wie er in Demokratien üblich ist.
Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion
Telefon: 02331/9174160