PresseKat - EuGH gewährt das „Recht auf Vergessen“ gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber

EuGH gewährt das „Recht auf Vergessen“ gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber

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Am 13. Mai 2014 erging vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ein spektakuläres Urteil. Der EuGH (Az: C-131/12) entschied, dass Informationen über eine Person aus der Trefferliste von Google gestrichen werden müssen. Dieses Recht besteht auch dann, wenn der Treffer in der Suchmaschine auf eine rechtmäßige Veröffentlichung verweist.
Dem einzelnen Menschen steht somit das Recht zu, von Suchmaschinen vergessen zu werden.

(firmenpresse) - Sachverhalt

Der Entscheidung des EuGH lag ein Verfahren in Spanien zu Grunde. Ein Mann hatte sich im Klagewege gegen Google zur Wehr gesetzt, weil jedes Mal wenn man seinen Namen im Internet suchte, man auf mehrere Zeitungsartikel stieß, die von einer Zwangsversteigerung seines Hauses in den neunziger Jahren berichteten. Der Mann wollte, dass diese ihn belastenden Einträge aus dem Index der Suchmaschine gelöscht werden, so dass niemand, der nach seiner Person sucht, mit diesen Berichten aus seiner Vergangenheit konfrontiert wird.

Bevor das spanische Gericht jedoch darüber entscheiden konnte, legte es dem Europäischen Gerichtshof mehrere Rechtsfragen zur Beantwortung vor. Dies hat den Hintergrund, dass das Datenschutzrecht in Europa auf der Richtlinie 95/46/EG basiert, weswegen das nationale Datenschutzgesetz die Vorgaben dieser Richtlinie beachten muss.

Kommt ein nationales Gericht zu dem Schluss, dass die Auslegung einer Rechtsfrage davon abhängig ist, wie die europäische Richtlinie zu verstehen ist, legt es diese konkreten Fragen dem EuGH zur Beantwortung vor.

Verfahren vor dem EuGH

Drei Fragen richtete das spanische Gericht an den EuGH:

Bei der ersten Frage wollte das Gericht vom EuGH wissen, ob ein Suchmaschinenbetreiber überhaupt „verantwortliche Stelle“ im Sinne der Datenschutzrichtlinie sein kann. Verantwortliche Stelle ist normalerweise, wer Daten erhebt, verarbeitet oder weiterleitet. Eine Suchmaschine allerdings bereitet nur bereits vorhandene Inhalte von den Seiten anderer für eine konkrete Suchanfrage auf.

Die zweite Frage richtete sich darauf, ob die Datenschutzrichtlinie überhaupt in territorialer Hinsicht auf einen Konzern wie Google anzuwenden ist. Schließlich handelt es sich um ein international operierendes Unternehmen, dessen wohl hauptverantwortliche Mutter in den Vereinigten Staaten ansässig ist. In Datenschutzrecht gilt das so genannte Schutzlandprinzip. Das bedeutet, dass das Datenschutzrecht des Landes anwendbar ist, in dem die entsprechenden Server stehen. Zwar gibt es auch in Spanien die Firma Google Spain, diese ist jedoch keine Daten verarbeitende Stelle, sondern nur für Marketing zuständig.





Die dritte, und entscheidende Frage richtete sich auf die Tragweite eines Rechts zur Löschung und/oder auf Widerspruch gegen die Verarbeitung die eigene Person betreffenden Daten in Verbindung mit dem Recht auf Vergessen.

Dieses Recht, nicht immer wieder mit seiner Vergangenheit durch das Internet konfrontiert zu werden, war schon in der Vergangenheit durch die Netzgemeinde thematisiert worden. Ein saarländischer Informatikprofessor entwickelte sogar eine Möglichkeit, die oft problematischen Fotografien mit einem „Verfallsdatum“ zu versehen. Damit sollten problematische Fotos ab einem gewissen Zeitraum nicht mehr einsehbar sein.

Damit war jedoch nur ein Aspekt von Daten im Internet erfasst. Auf der einen Seite geht es darum, dass Inhalte nicht mehr abrufbar sind. Dieses Ziel kann mit der Löschung von Daten erreicht werden. Bei rechtswidrigen Veröffentlichungen sind Rechtsansprüche auf Löschung von Inhalten möglich und auch durchsetzbar. Doch nicht immer sind Veröffentlichungen rechtswidrig.

Auf der anderen Seite steht die Indexierung, d. h. die Einbeziehung von Inhalten in die Suchergebnisse. Oft befinden sich problematische Daten über Personen irgendwo in den Untiefen des Internets und werden meist nur dann gefunden, wenn gezielt danach gesucht wird. Der Bundesgerichtshof hat in solchen Fällen bereits entschieden, dass eine Löschung von persönlichkeitsrechtsrelevanten Daten nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt.

Wenn man jedoch über eine Suchmaschine nach einer bestimmten Person sucht und dieser Suchvorgang unliebsame Informationen zutage fördert, besteht ein weiterer praktischer Ansatzpunkt darin, den Sucheintrag selbst zu löschen.

Dazu muss ein Suchender aber genau wissen, dass ein Dokument existiert und wo er nach einem Dokument suchen muss. Die Gefahr, mit problematischen Informationen konfrontiert zu werden, sinkt mit der Löschung der Informationen aus einer Suchmaschine erheblich.

Das erklärt sich schon anhand unseres Surfverhaltens, das eine ganze Marketingbranche hervorgebracht hat, die Webseiten für Suchmaschinen optimiert.

Einen solchen Ansatz verfolgte der Kläger in dem Verfahren vor dem EuGH. Die Berichte, die ihn betrafen, waren nicht rechtswidrig. Es handelte sich um eine Meldung von 1998, dass sein Wohnanwesen zur Versteigerung steht. Die breit gestreute Veröffentlichung war notwendig, um den Anforderungen der Zwangsversteigerung gerecht zu werden. Er hatte keinen Rechtsanspruch auf Löschung der eigentlichen Beiträge gegenüber den Verfassern, weswegen er die Löschung aus dem Google-Suchindex verlangte. Niemand mehr sollte Kenntnis von der gegen ihn gerichteten Pfändung erlangen können.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH entschied, wie die für den Streit vor dem spanischen Gericht entscheidenden Passagen der EU-Datenschutzrichtlinie auszulegen sind, so dass das erstinstanzliche Gericht nun die Möglichkeit hat, zugunsten des Klägers zu entscheiden.

Um dies rechtlich zu ermöglichen, urteilte der EuGH, dass Suchmaschinenbetreiber zum einen verantwortliche Stellen im Sinne der EU-Datenschutzrichtlinie sind und zum anderen auch nach europäischem Datenschutzrecht verantwortlich sind.

Das ist insoweit eine Neuheit, als im Datenschutzrecht das Schutzlandprinzip gilt, weswegen immer das nationale Recht der verarbeitenden Stelle anzuwenden ist. Google hat in Europa zwar Niederlassungen, jedoch sind diese an den eigentlichen Suchvorgängen überhaupt nicht beteiligt. Dies geschieht nach wie vor in den USA durch die amerikanische Google Inc..

Weil Unternehmen wie Google aber nationale Niederlassungen betreiben und sich wirtschaftlich national ausrichten, muss das EU-Datenschutzrecht auch dann Anwendung finden, wenn die nationalen Unternehmen nicht unmittelbar an Datenverarbeitungsvorgängen beteiligt sind, urteilte der EuGH.

Der für die Kommunikation im Internet jedoch viel entscheidendere Aspekt des Urteils ist aber, dass der EuGH urteilte, dass unabhängig von einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine Löschung aus dem Suchindex erfolgen darf. Das bedeutet dem Grunde nach, dass Personen bestimmen dürfen, was von Ihnen in Suchmaschinen zu finden ist.

Die datenschutzrechtliche Relevanz eines Google- bzw. sonstigen Suchmaschinen-Eintrags wurde auch längst von Konzernen wie Facebook erkannt. Jeder Nutzer des Netzwerkes kann zum Beispiel entscheiden, ob seine persönliche Seite über Suchmaschinen gefunden werden kann. Dies ist ein Teil der informationellen Selbstbestimmung des Einzelnen.

Kritiker rügen dieses Urteil als einen zu harschen Eingriff in die Informationsfreiheit, da auch rechtmäßige Veröffentlichungen durch Streichung aus dem Suchindex nicht mehr aufgefunden werden können und somit der Zugang zu Informationen erheblich erschwert werden wird.

Die Begründung des EuGH ist indes aber nachvollziehbar. Mit einer einzigen Suchanfrage lassen sich durch die Ergebnisliste sehr strukturierte Einblicke in die Persönlichkeit eines Menschen gewinnen, so der EuGH. Google verknüpft einzelne Beiträge, die ein Nutzer nie gemeinsam zu Gesicht bekommen hätte. Auch die Bedenken, dass die Informationsfreiheit mit diesem Richterspruch beschränkt wird, räumte der EuGH aus.

Einer Löschung von Informationen aus der Ergebnisliste können besondere Gründe entgegenstehen, wie gerade das überwiegende Interesse der breiten Öffentlichkeit zu Informationen oder die Rolle einer Person im öffentlichen Leben. Es muss danach letztlich immer noch die Verhältnismäßigkeit geprüft werden.

Fazit

Diese Entscheidung des EuGH ist nun in allen EU-Staaten, also auch in Deutschland, zu beachten. Durch dieses Urteil muss auch nach deutschem Recht den Betroffenen das Recht auf Vergessen gewährt werden. Es bleibt aber abzuwarten, wie die deutsche Rechtsprechung mit dem Urteil aus Luxemburg umgehen wird und wie das Recht auf Vergessen in Deutschland durchgesetzt werden wird.


Autor: Sebastian Maria Schmitt

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Datum: 18.06.2014 - 13:10 Uhr
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