(ots) - Freundschaft zwischen Staaten - bis hin zur
unverbrüchlichen - ist etwas für Sonntagsreden. Klingt nett, kostet
nichts. Völker können Fähnchen schwingen. An den Wochentagen geht es
um die Durchsetzung von Interessen - politisch, wirtschaftlich,
militärisch, geistig. Diese Interessen sind bisweilen gerade zwischen
den USA und Deutschland identisch. Dafür sorgen neben historischen
Gründen auch gegenseitige Abhängigkeiten in und gegen den Rest der
globalisierten Welt. Doch ist es schon erstaunlich, wie sehr die
Bundesregierung und allen voran die Kanzlerin selbst solchen
Sonntagsreden auf den Leim gegangen ist. Die gestrige Reaktion mit
der Quasi-Ausweisung des US-Chefspions zeugt von einem herben
Erwachen aus transatlantischen Träumen. Es wurde verursacht durch die
dreisten Spionageoperationen der USA im doch so treu verbündeten
Deutschland, von denen wir gerade einen Bruchteil erleben. Da der
Rausschmiss ganz sicher nicht ohne vorherige direkte oder indirekte
Absprache mit Obama getroffen wurde, kann man wohl davon ausgehen,
dass auch in Washington ein Wecker geklingelt hat. Die aktuellen
Spionageskandale im Schlepptau der NSA-Spitzeleien haben höchste
Kreise in Washington kalt erwischt. Die sehen etwas klarer, was das
rücksichtslose Eigenleben der mächtigen US-Dienste betrifft. Und sie
ahnen Gefahren, die sich bis ins Weiße Haus schleichen können. Wer
jetzt eine grundlegende geistig-politische Wende dies- und jenseits
des Atlantik erwartet, ist sicher ein Fantast. Doch darauf zu
dringen, ist notwendig.
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