(ots) - Man kennt es als das "Berlusconi-Phänomen", wenn
ein Parteiensystem kollabiert und wenn plötzlich aus dem Nichts eine
ganz neue Partei mit einem neuen Gesicht an der Spitze die Wahl
gewinnt. Mit dem schillernden "Cavaliere" aus dem Nachbarland Italien
aber hat Miro Cerar, der Wahlsieger in Slowenien, nichts gemein. Ins
Amt getragen hat den stillen, spröden Anwalt ein gewaltiger Verdruss
über eben das, was Silvio Berlusconi in Italien hinterlassen hat: die
dröhnende Ineffizienz, die Großsprecherei und die allumfassende
Bestechlichkeit, die das politische System auch in Slowenien
auszeichnen. Dass der Wahlsieger wie ein geübter Politiker jede
inhaltliche Festlegung bisher vermieden hat, hat ihm nicht geschadet.
Was genau passieren wird, welche Richtung eingeschlagen wird, ist den
Slowenen inzwischen ohnehin egal. Alles ist besser als der ewige
Stillstand, übertönt von ideologischen Spiegelfechtereien. Für den
neuen Mann ist diese sarkastische, schon fast zynische Stimmung
Chance und Handicap zugleich. Einerseits darf er mit einem kräftigen
Vertrauensvorschuss rechnen. Andererseits werden die Interessenkämpfe
im Land, bei denen es mehr um das Privatvermögen der Mächtigen als um
politische Weichenstellungen geht, mit dem Machtwechsel nicht
aufhören. Auch ein grundehrlicher Premierminister muss sich auf
Empfehlungen von Ausschüssen und Kommissionen verlassen. Geschossen
wird künftig wohl noch stärker als bisher aus dem Hinterhalt. Die
Korruption wurzelt tief im System. Wie Cerar ihr beikommen will, hat
er bisher nicht verraten. Schafft er es nicht, werden es alle schon
vorher gewusst haben Das Experiment allerdings ist es wert, denn
verlieren können die Slowenen nicht viel. Die Auflagen der
EU-Kommission für das taumelnde Mitglied der Eurozone sind so scharf
und so präzise, dass gerade eine ganz unerfahrene Partei ihnen kaum
etwas entgegensetzen kann. Die Wähler dürfen schon froh sein, wenn
ein Politiker ihnen das auch offen sagt. Diesen Anspruch wird der
künftige Premierminister leicht erfüllen.
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