(ots) - Ein paar Stunden, nachdem er die deutsche
Leichtathletik in ihre größte denkbare Verlegenheit gestoßen hatte,
stand Markus Rehm vor der Torwand des Aktuellen Sportstudios. Er
schoss mit rechts, und allein diese Formulierung setzt beim Schreiben
schon Ãœberlegungen in Gang. Denn darf man alternativ auch schreiben:
Er schoss mit dem rechten Fuß, wo da doch gar keiner ist, sondern
eine Prothese, die in seinem Turnschuh steckt? Natürlich darf man.
Ganz so leicht kann es sich der Deutsche Leichtathletik-Verband nicht
machen. Aus dem Fall Markus Rehm, der mit einer Karbonschiene als
Unterschenkelersatz weiter flog als alle anderen Teilnehmer bei der
Deutschen Meisterschaft, entspringt ein Dilemma, wie es für den DLV
größer kaum sein könnte. Ausgerechnet die Leichtathletik - ein Sport
also, in dem wie in kaum einem anderen Leistungen mess- und dadurch
explizit vergleichbar sind - muss ihre ureigensten Maßstäbe
hinterfragen. "Die Grenze der Inklusion ist die Vergleichbarkeit der
Leistung", hat DLV-Präsident Prokop deshalb gesagt. Stimmt das?
Vielleicht. Rehm ist ein Grenzfall, und Prokop hat ja nicht mal
unrecht - im Sport sollte Chancengleichheit herrschen, das setzt
schon der Fairplay-Gedanke voraus. Aber was folgt daraus? Dass
Handicap-Sportler sich nicht mit Nichtbehinderten messen dürfen?
Möglicherweise genau das. Zur EM darf Markus Rehm schon mal nicht
mit. Es wäre eine nur schwer tragbare Konsequenz. Lösungen gibt es ja
durchaus, wie die Leichtathletik selbst bewiesen hat. Mit Oscar
Pistorius, dem Prothesenläufer, der sich seinen Olympia-Start in
London noch gerichtlich erstritt. Mit der 800-Meter-Weltmeisterin
Caster Semenya, der eine Laune der Natur einen männlichen Gen-Pool
und das IOC am Ende den Olympia-Start beschert hat. Es geht also
doch. Nur ist der DLV davon zurzeit noch weit entfernt. Inklusion
will der Verband leben, aber er braucht viele kleine Schritte. Der
weite Satz des Markus Rehm ist für den DLV noch ein zu großer Sprung
über den eigenen Schatten.
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