(ots) - Es ist weit mehr als die vierte Auflage des
Golfkrieges, was da gerade im Nahen und Mittleren Osten passiert: Der
Vormarsch der sunnitischen ISIS-Extremisten hat nicht weniger als
eine Systemänderung für die gesamte muslimische Welt zum Ziel. Die
arabischen Staaten sind nur Etappen; das Projekt Kalifat soll nicht
an der türkischen Grenze enden. Damit ist für die NATO der
Bündnisfall nahe. Israel, schon jetzt eine demokratische Insel in
einem Meer von Despotien, wäre wieder komplett von Todfeinden
eingeschlossen. Es würde sich mit allen Mitteln gegen seine
Vernichtung wehren, notfalls auch mit taktischen Atomwaffen. Europa,
immer noch stark abhängig vom Öl aus der Region, wäre substantiell
betroffen - auch jenseits der Energieversorgung hat man vielfältige
wirtschaftliche Interessen, nicht nur in den Golfstaaten. Was aber
bislang völlig fehlt, ist eine Strategie des Westens, wie man in
diesen Konflikt eingreift, der sich mit Verhandlungen nicht lösen
lässt. Bloß kein weiterer Militäreinsatz und bitte so wenige
Flüchtlinge wie möglich aufnehmen - das ist bislang der kleinste
gemeinsame Nenner. Beides ist falsch. Die einzigen halbwegs
"westlichen" Gegner des ISIS, die kurdischen Peschmerga, müssten
massiv mit Waffenlieferungen und Luftschlägen unterstützt werden.
Sonst werden nur die kaum weniger radikalen Schiiten-Milizen, die vom
Iran gesteuert werden, erstarken. Und die mittlerweile nach Millionen
zählenden Flüchtlinge in der Region brauchen - nicht nur aus
humanitären Gründen - dringend gute Versorgung und robusten Schutz.
Elend erzeugt immer neuen Extremismus - Afghanistans Taliban sind
schließlich auch in den Flüchtlingslagern Pakistans groß geworden.
Die Gefahr ist groß, dass der Westen abermals jenen Terror erntet,
den er durch Unterlassen sät.
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