(ots) - Die Auseinandersetzung um den russischen Konvoi mit
humanitärer Hilfe für die Ostukraine zeigt, dass Russland sämtliches
Vertrauen verspielt hat. Weder der Westen noch die ukrainische
Führung trauen dem Kreml mehr über den Weg. Die Hysterie mag
übertrieben erscheinen. Doch Moskau tut alles, um den Argwohn zu
schüren. Die eingesetzten Lkw sind offensichtlich umlackierte
Militärlaster, sie werden zudem von Uniformierten begleitet. Das
Internationale Komitee vom Roten Kreuz weiß über die Fracht nicht
Bescheid. Und schließlich hielt es der Kreml offenbar nicht für
nötig, sich mit der ukrainischen Führung abzustimmen, bevor er eine
drei Kilometer lange Wagenkolonne in Marsch setzte. Das alles wirkt
verdächtig. Das Schlimme ist: Es soll womöglich verdächtig wirken. Um
die Situation in der Ostukraine weiter anzuheizen. Nach monatelangen
Kämpfen zwischen den von Russland unterstützen Separatisten und der
ukrainischen Armee sind die Menschen in der Ostukraine in einer
verzweifelten Lage. Aus der Millionenstadt Donezk ist jeder Fünfte
auf der Flucht, die anderen harren in Schutzräumen aus. Strom und Gas
gibt es häufig nicht mehr. Angesichts dieser Katastrophe wäre es
dringend geboten, dass sich die internationale Gemeinschaft -
losgelöst vom Streit über die Zukunft der Ukraine - schnell zu einer
Hilfsaktion zusammenfindet. Es ist unwahrscheinlich, dass sich in den
Lkws russische Soldaten verbergen, die dann den Aufständischen zu
Hilfe kommen, anstatt Milchpulver zu verteilen. Aber Russland ist
möglicherweise einfach daran gelegen, diesen Konvoi so zu
organisieren, dass er die ukrainische Führung zu einer Blockade
provoziert. Und Kiew tappt bereitwillig in diese Falle. Schon wäre
für Moskau ein Vorwand geschaffen, eine Militärinvasion "aus
humanitären Gründen" zu starten - wie 2008 in Süd-Ossetien. Die
internationale Staatengemeinschaft muss schnell handeln, um zu
verhindern, dass dieser Streit zum Funken im Pulverfass wird. Denn an
sich ist der Fall einfach zu lösen: Das Rote Kreuz sollte überprüfen,
was sich an Bord der Lkw befindet. Dann kann die Fracht umgeladen
werden - und ihren Weg zu den Hilfsbedürftigen fortsetzen. Und zwar
ohne Begleitung russischer Uniformträger.
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