(ots) - Das muss man sich mal vorstellen: Russische
Soldaten lassen sich beurlauben, um ihre Ferien nicht badend am Meer,
sondern kämpfend in einem fremden Land zu verbringen. Ihr Kriegsgerät
nehmen sie dabei praktischerweise gleich mit. Und ihr Dienstherr weiß
davon nichts. Klingt absurd? Sicher, aber genau diese Geschichte wird
nun aufgetischt, um die Beteiligung russischer Militärs am Konflikt
in der Ukraine zu begründen. Wir erinnern uns: Auch bei der Annexion
der Krim tauchten auf einmal Soldaten ohne Hoheitsabzeichen an ihren
Uniformen auf. Den Verdacht, es handele sich um russische Kämpfer,
wies Moskau zunächst zurück, um ihn später schulterzuckend zu
bestätigten. Beim Schüren der Auseinandersetzungen in der Ukraine tat
Kremlchef Wladimir Putin bisher ganz unverfroren alles, was sich
gerade noch unterhalb der Schwelle zur offenen Aggression befindet.
Mit dem offensichtlichen Eingreifen russischer Truppen im Nachbarland
verschiebt er diese Grenze noch ein Stück weiter. Sein Hinweis, der
Konflikt sei eine innerukrainische Angelegenheit, mit der Russland
nichts zu tun habe, ist angesichts der jüngsten Ereignisse nichts als
blanker Zynismus. Die Zeichen stehen also auf Eskalation. Präsident
Petro Poroschenko kann es sich nicht leisten, das nächste Stück der
Ukraine preiszugeben, und wird deshalb weiter versuchen, die von
Moskau unterstützten Separatisten militärisch zurückzudrängen -
zivile "Kollateralschäden" inbegriffen. Und sein Gegenspieler Putin
ist sowieso nicht an einer Beruhigung der Lage interessiert. Ihm geht
es nicht nur darum, russische Erde zu sammeln, wie es auch frühere
Herrscher taten. Die demonstrative Stärke schraubt zugleich die
Popularitätswerte des Präsidenten auf Traumhöhen. Der Krieg macht
sich also auch an der Heimatfront ganz gut. Dabei wäre eine Lösung
des Konflikts keineswegs unmöglich: Russland und die Separatisten
müssten die territoriale Integrität der Ukraine anerkennen, im
Gegenzug müsste Kiew dem Osten des Landes eine weitgehende Autonomie
gewähren. Doch Putins Zündeln lässt jede Annäherung in weite Ferne
rücken. Der blutige Konflikt wird die Welt noch lange beschäftigen.
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