(ots) - Bislang hatte Sigmar Gabriel einen guten Lauf:
Erfolgreich hat er seine skeptischen Genossen in eine neue Große
Koalition gelenkt und dort dann dafür gesorgt, dass sie ihre Akzente
setzen konnten. So gut, dass man sich manchmal schon fragte, wer hier
eigentlich der Junior- und wer der Seniorpartner ist. Aber die SPD
wäre nicht die SPD, wenn sie nicht irgendwann am Glanz ihres
Vorsitzenden kräftig kratzen würde. Und da Gabriel auch
Wirtschaftsminister ist, bietet sich dafür das Thema
Freihandelsabkommen an: Hier lässt sich sozialdemokratischer
Traditionalismus vortrefflich mit den diffusen Vorbehalten der
Bevölkerungsmehrheit verknüpfen. Keine internationalen
Schiedsgerichte, vor denen Konzerne Staaten verklagen können. Und
nicht nur das Europa-Parlament, sondern auch sämtliche nationale
Volksvertretungen sollen zustimmen müssen - das sind die dicksten
"roten Linien", die Gabriel von der Parteilinken gezogen wurden.
Dabei hat sich der Wirtschaftsminister vom Max-Planck-Institut
bestätigen lassen, dass der Investitionsschutz für Konzerne
keineswegs deutsche Gerichte aushebele. Gleichwohl bemühte Gabriel im
Bundestag die Vokabel "Paralleljustiz", die allgemein auf
islamistische "Friedensrichter" gemünzt ist, um sich die Position der
Parteilinken zu eigen zu machen. Zudem weiß Gabriel, was die EU
riskiert, wenn die Abkommen Ceta und TTIP auch noch von 27 nationalen
Parlamenten gebilligt werden müssen: Eine Abwertung des gerade
aufgewerteten Europäischen Parlaments und sogar das völlige Scheitern
der Abkommen - so, wie einst eine EU-Verfassung an nationalen
Vorbehalten zerschellte. Damals mag noch ein überfrachtetes,
unverständliches und damit untaugliches Werk gekippt worden sein. Nun
aber würde eine Großchance nicht zuletzt für die Exportnation
Deutschland vertan: 98 von 100 Zollschranken sollen fallen, Standards
für Produkte und Dienstleistungen transatlantisch einheitlich werden.
Aber was ist mit dem Seniorpartner der Koalition, der CDU? Man hat
den Eindruck, dass eigentlich nur noch der linke Flügel der SPD in
dieser Frage für Deutschland spricht. Offenbar rächt sich nun, dass
die Kanzlerin den Wirtschaftsflügel ihrer Partei geradezu verkrüppelt
hat.
Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion(at)Weser-Kurier.de