(ots) - Einen Tag nach der Ankündigung wird es konkret:
Die Türkei will ihre Politik im Umgang mit dem »Islamischen Staat«
(IS) korrigieren. Lange Zeit konnten Dschihadisten aus Europa relativ
problemlos über die Türkei nach Syrien einreisen und mit den
Terrormilizen des IS gegen Assads Truppen kämpfen. Erdogan wollte und
will dazu beitragen, den Diktator in Damaskus zu stürzen. Dabei hat
er nicht in Betracht gezogen, dass die Söldner des selbsternannten
Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi an der Grenze zur Türkei auftauchen
könnten. Offiziell gehört der Nato-Staat noch nicht zur
Anti-IS-Allianz. Doch auf Druck der USA scheinen Erdogan und die
Regierung seiner Gnaden erkannt zu haben, dass die Türkei als
Frontstaat mit ihrer 1250 Kilometer langen Grenze mit Syrien und Irak
direkt von IS bedroht ist. Ankara hat bislang aus mehreren Gründen
gezögert. 46 türkische Geiseln befanden sich bis vor kurzem in der
Gewalt der Dschihadisten. Außerdem hält Erdogan auch jetzt noch an
dem Ziel fest, den syrischen Präsidenten Assad loszuwerden. Doch
diese Absicht sollte derzeit nicht vorrangig sein. Aus vitalem
Eigeninteresse muss die Türkei die westlich-arabische Allianz dabei
unterstützen, IS zu stoppen und zu zerschlagen. Die wachsende Zahl
der Flüchtlinge belastet das Land ebenso wie die terroristische
Bedrohung an seiner Ost- und Südgrenze. Von der Regierung des neuen
Ministerpräsidenten und ehemaligen Außenministers Ahmet Davutoglu
erwartet der Westen auch, dass die Reisebewegungen europäischer
IS-Kämpfer durch die Türkei genau kontrolliert werden - in beide
Richtungen. Militäreinsätze gegen IS stellen ein hohes Risiko dar.
1000 türkische Islamisten sollen für das ausgerufene Kalifat kämpfen.
Von ihnen geht die größte innenpolitische Gefahr aus. Was passiert,
wenn sie radikalisiert in die Städte zurückkehren, nachdem sich ihr
Herkunftsland mit Soldaten und Waffen gegen den »Islamischen Staat«
gestellt hat? Noch brisanter als mögliche Anschläge in Istanbul und
anderswo ist die Kurdenfrage. Die Kurden, die in Syrien und im Irak
gegen IS kämpfen, wollen einen Einmarsch türkischer Armeeverbände
verhindern. Ihre Befürchtung: Erdogan könnte den Entstehungsprozess
eines kurdischen Autonomiegebiets verhindern wollen - aus Sorge vor
einem Kurdistan, das bei türkischen Kurden gewiss Begehrlichkeiten
wecken könnte, bis hin zur Auswanderung in einen eigenen Staat. In
den vergangenen Monaten hat sich das Verhältnis zur verbotenen
kurdischen Arbeiterpartei PKK entspannt. Doch mittlerweile wird der
Normalisierungsprozess wieder in Frage gestellt. Die PKK hat Erdogan
vorgeworfen, den »Islamischen Staat« durch Wegschauen und
Unterlassung indirekt zu fördern. Das soll sich nun ändern. Trotz
aller Risiken ist der türkische Einsatz gegen IS unabdingbar.
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