(ots) - Die Schlacht um die nordsyrische Stadt Kobane an
der Grenze zur Türkei ist nicht nur ein Beispiel dafür, wie eine
hochgerüstete und rücksichtslose Miliz wie der "Islamische Staat"
(IS) ihren Einflussbereich im Bürgerkriegsland Syrien ausweiten kann.
Die Lage in der Stadt wirft auch ein Schlaglicht auf das Schachspiel
der Machtinteressen im Hintergrund - und auf die Schwächen der
bisherigen Haltung des Westens. Heftig kritisiert wird unter anderem
das Verhalten der Türkei. Obwohl die Regierung in Ankara über die mit
600
zusätzliche Truppen und Panzer an die Grenze bei Kobane verlegt hat,
will sie bisher nicht in den Kampf um die Stadt eingreifen. Die
türkischen Soldaten sollen lediglich das eigene Territorium
verteidigen, falls es angegriffen wird. Ein stärkeres türkisches
Engagement gegen den IS macht Ankara von einer Strategie-Änderung der
USA abhängig: Erst wenn Washington die Luftangriffe in Syrien auf die
Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ausweitet, will
Ministerpräsident Davutoglu die türkische Armee in Marsch setzen.
Denn für die Türkei ist das Hauptziel in Syrien nicht die
Zerschlagung von IS, sondern die Entmachtung Assads. Nicht nur die
Türkei verfolgt in Syrien knallhart ihre eigenen Interessen. Die USA
schauten drei Jahre lang dem Gemetzel im syrischen Bürgerkrieg zu und
starteten die Luftangriffe auf IS erst, als amerikanische Diplomaten
und Ölfirmen im nordirakischen Erbil durch den Vormarsch der
IS-Terroristen bedroht waren. Auch für die USA stehen die Kurden von
Kobane nicht sehr hoch auf der Prioritätenliste. Bei anderen
ausländischen Mächten sieht es nicht viel anders aus. Europäische
Länder wie Großbritannien, Frankreich, die Niederlande oder
Deutschland beteiligen sich zwar mit Luftschlägen und
Waffenlieferungen an die nordirakischen Kurden am Kampf gegen IS,
sind aber nicht gewillt, das Leben ihrer Soldaten bei einer
Bodenoffensive gegen die Dschihadisten etwa in Kobane aufs Spiel zu
setzen. Sollte Kobane nun an den IS fallen, werden sich die Türkei,
die USA und andere Beteiligte ganz neu Gedanken machen müssen. Die
Einnahme der Stadt würde die Machtstellung der Extremisten im Norden
Syriens zementieren und ihnen ein mehrere hundert Kilometer langes,
zusammenhängendes Einflussgebiet entlang der türkischen Grenze
bescheren. Ein Sieg von IS in Kobane würde auch bedeuten, dass die
bisher praktizierten Luftangriffe nicht ausreichen, um die
Dschihadisten aufzuhalten. Die Attraktivität von IS in islamistischen
Kreisen weltweit würde weiter wachsen, die Bedrohung für das
NATO-Land Türkei würde steigen - und eine Bekämpfung der
Dschihadisten-Miliz noch schwieriger, als sie es bisher schon war.
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