(ots) - Diese berühmte Strophe aus Bertolt Brechts
Dreigroschenoper über soziale Ungerechtigkeit sollte sich die große
Koalition Tag für Tag vorbeten: "Denn die einen sind im Dunkeln - Und
die andern sind im Licht. Und man sieht nur die im Lichte - Die im
Dunkeln sieht man nicht." Denn seit Jahren bleibt eine Gruppe, die
konstant wächst, im Dunkeln: am Existenzminimum darbende Senioren,
die aus Scham da noch sparen, wo es nichts mehr zu sparen gibt. Die
Bundesregierung hat ein Rentenpaket erlassen, das zwar viel Geld
kostet, aber das Wort gerecht nicht verdient. Statt wieder Vertrauen
in die sozialen Sicherungssysteme zu schaffen, das gerade den Jungen
gut tun würde, werden nachträgliche Wahlkampfgeschenke verteilt: Denn
Mütterrente, abschlagsfreie Rente mit 63 lösen die Probleme nicht -
und auch nicht, dass die Renten ab 2016 um fünf Prozent steigen und
die Rentenbeiträge sinken sollen. Denn klar ist: Langfristig geht
diese Rechnung nicht auf, das Geld wird wieder knapp, die mauen
Renten werden noch knapper - und eine Frage bleibt unbeantwortet: Wer
soll das bezahlen? Die Statistiker aus Wiesbaden schlagen unterdessen
am Mittwoch Alarm: Armut bedroht - zehn Jahre nach den Hartz-Reformen
- immer mehr Menschen in Deutschland. Besonders das Armutsrisiko der
über 65-Jährigen steigt - auf den höchsten Stand seit Einführung der
Statistik im Jahr 2005. Besonders in Bayern sind Senioren von einem
Leben am Rande oder unterhalb des Minimus bedroht, dabei gibt es hier
mit Blick auf alle Altersgruppen das niedrigste Armutsrisiko im
bundesweiten Vergleich. Warum das so im Freistaat ist, darauf hat das
Statistische Bundesamt keine Antworten. Der Kinderschutzbund nennt
die lange Zeit der Unvereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen
als Hauptursache. Ende 2013 bezog fast eine halbe Million Personen
über 65 Jahren Grundsicherung, auch hier machten die Statistiker
einen Anstieg aus, mehr als 800 000 Minijobber sind in derselben
Altersklasse. Dafür befinden sich laut Bundessozialministerium immer
mehr 60- bis 64-Jährige in einem sozialversicherungspflichtigen
Jobverhältnis. An der Rente mit 67 hält die Regierung daher fest. Die
Frage ist aber, ob diese Menschen nur einen Job haben, weil es
schlicht vorne und hinten an Nachwuchs fehlt - oder ob tatsächlich
ein Wandel auf dem Arbeitsmarkt begonnen hat. Doch alle Statistiken
dazu sind nur ein Vorbote dessen, vor welcher Herausforderung dieses
Land tatsächlich steht: 20,5 Millionen Rentner leben in Deutschland.
Ihre Zahl wird steigen. Rasant. Umgekehrt werden die Sozialkassen von
immer weniger Menschen gefüllt. Wer jetzt einzahlt, wird nicht mal
die Hälfte davon später herausbekommen. Das ist eine Entwicklung, die
allen Generationen gegenüber unfair ist - und die für Konflikte
sorgt. Wer also nicht selbst privat vorsorgt, wird später kaum etwas
haben. Und wer sich das aber nicht leisten kann - weil nicht jede
Erwerbsbiografie ohne Lücke auskommt - wird noch weniger haben. Dabei
gibt es gute Gründe für die deutsche Rentenversicherung: Ein Blick in
die angelsächsischen Länder beweist: Die Finanzmarktkrise war hier
mit am verheerendsten für Rentner, deren Pensionskassen auf Aktien
gesetzt hatten. In Deutschland gibt es dafür ein Sicherungsnetz, das
solche Abstürze verhindert. Aber wer eine Riester- oder Rürup-Rente
abgeschlossen hat, hätte nun dank der Nullzins-Politik mehr davon,
sein Geld unters Kopfkissen geschoben zu haben. Der demografische
Wandel bringt die Rentensysteme an die Grenzen der Belastbarkeit -
und macht Reformen unausweichlich. Das bleibt leider auch nach diesem
Rentenpaket so.
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