(ots) - Am Anfang der Einheit stand vor fast einem
Vierteljahrhundert das Versprechen von Helmut Kohl, man könne die
Kosten des Aufbaus Ost sozusagen aus der Portokasse finanzieren.
Steuererhöhungen seien nicht nötig. Doch sehr bald wurde klar, dass
der Umbau der weitgehend maroden DDR-Wirtschaft, der Aufbau eines
soliden Renten- und Sozialsystems, einer modernen Infrastruktur,
ansehnlicher Städte und Dörfer, saubere Luft und sauberes Wasser
nicht mit den Geldern für Briefmarken zu machen sein würde. Flugs
erfand der damalige Kassenwart Theo Waigel den Solidaritätszuschlag,
der im engen Sinne keine Steuererhöhung sei, sondern nur eine
Ergänzungsabgabe zur Einkommen-, Kapitalertrag- und
Körperschaftsteuer. Abseits der Wortakrobatik wird der "Soli" seither
in Ost und West gezahlt. Und er hat bis zum Ende des Jahres 255
Milliarden Euro in die Kasse des Bundes gespült. Dabei hat der
Soli-Zuschlag mit der innerstaatlichen Solidarität etwa so viel zu
tun wie Gustav mit Gasthof. Er ist zu einer sprudelnden
Einnahmequelle des Bundes geworden. Die Ausgaben für den Solidarpakt
Ost liegen inzwischen weit unterhalb der Soli-Einnahmen. Kein Wunder,
dass klamme Länder auch ein Stück vom Milliarden-Aufkommen des Soli
abhaben möchten. Noch dazu, wo es auch im Westen, Norden und Süden
Deutschlands löchrige Straßen, rostige Brücken und arme Kommunen
gibt. Im Jahre 25 der deutschen Einheit ist wirklich nicht mehr
einzusehen, dass staatliche Förderung sich stur an der
Himmelsrichtung orientieren soll. Das viel wichtigere Kriterium ist
die wirkliche Bedürftigkeit. In den neuen Bundesländern ist Enormes
geschaffen worden. Dank deutsch-deutscher Solidarität. Inzwischen ist
die Infrastruktur im Osten zum Teil moderner und leistungsfähiger als
in vielen westdeutschen Ländern, die in dieser Beziehung wirklich
"alt" aussehen. Allerdings muss nun wieder eine gesunde Balance
zwischen dem Aufbau Ost, der zum großen Teil verwirklicht ist, und
der Sanierung und Modernisierung West hergestellt werden. Die
nüchternen Zahlen der Investitionsquote der öffentlichen Hand zeigen,
dass die alten Länder in den vergangenen zwei Jahrzehnten dramatisch
von der Substanz gezehrt haben. Doch das kann auf Dauer nicht
gutgehen, wenn Deutschland weiterhin Wachstum und Wohlstand erreichen
will. Kräftiges Umsteuern ist angesagt - und dies über die kurzatmige
Soli-Debatte hinaus. Die Gefechtslage zur Zukunft des Soli, zur
Neuordnung der Bund-Länderfinanzbeziehungen überhaupt, ist allerdings
sehr unübersichtlich. SPD- und Grün-regierte Länder würden den Soli
gern in die Einkommensteuer switchen, um so mitzuprofitieren. Der
Haken an der Sache ist, dass sich der Bund ungern etwas abluchsen
lässt, ohne dafür eine Gegenleistung zu bekommen. Schäuble verweist
obendrein auf andere Zuschüsse, etwa in die Rentenkasse Ost, die sich
ebenfalls auf mehrere Milliarden Euro beläuft. Oder auch auf
zusätzliche milliardenschwere Ausgaben für die Grundsicherung, mit
denen er die Kommunen entlastet und anderes mehr. Vor diesem
Hintergrund kann Schäuble relativ gelassen zuschauen, wie sich die
Länder gegenseitig behaken. Eine einheitliche Linie ist nicht
auszumachen. Während die rot-grün-regierten Länder flugs den in die
Einkommensteuer übertragenen Soli, also einen Zuschlag unter neuem
Eitikett, verlangen, fürchten "Zahlerländer" in den
Länderfinanzausgleich wie Bayern einen erheblichen Teil ihrer
Mehreinnahmen wieder abgeben zu müssen. Doch das verkehrt die Idee
des Föderalismus in Gleichmacherei um. So oder so ist eine rasche
Verständigung zum vertrackten Soli nicht in Sicht.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de