(ots) - Wegen gewalttätiger Übergriffe durch
Polizeibeamte sind im vergangenen Jahr 2.248 Strafanzeigen bei
deutschen Staatsanwaltschaften eingegangen. Fast alle
Ermittlungsverfahren wurden eingestellt. Nur in 31 Fällen erhoben die
Strafbehörden Anklage. Das berichtet der SWR in seiner Doku "Polizei,
Gewalt und Videos - Wenn Einsätze aus dem Ruder laufen", heute (15.
Dezember 2014) um 22.45 Uhr in der Reihe "Die Story im Ersten".
Der SWR beruft sich dabei auf die neueste
Staatsanwaltschaftsstatistik (2013), die dem Sender vorliegt und
bislang noch nicht veröffentlicht wurde. In Fällen von
Körperverletzung, in denen der mutmaßliche Täter kein Polizeibeamter
ist, erheben die Staatsanwaltschaften weitaus häufiger Anklage (15,4
Prozent) als in Fällen, in denen der mutmaßliche Täter Polizist ist
(2,4 Prozent). Der aktuellen amtlichen Statistik zufolge wurden fast
alle Ermittlungsverfahren (1.933) zu Gewaltausübungen im
Polizeidienst "mangels hinreichendem Tatverdacht" (§ 170 Abs. 2 StPO)
eingestellt. 53 Verfahren wurden wegen "Geringfügigkeit eingestellt",
der Rest aus anderen Gründen.
Polizeiwissenschaftler Professor Rafael Behr, Dekan an der
Akademie der Polizei Hamburg, äußert in der ARD-Doku den Verdacht,
dass sich Polizisten gegenseitig decken, wenn sie bei einem Einsatz
an Ãœbergriffen beteiligt waren. Im Interview sagt der Kriminologe:
"Es besteht ein Code, eine nicht niedergeschriebene Vereinbarung, im
Englischen "Code of Silence", nichts, was unter den Kollegen
gesprochen wird nach außen dringen zu lassen und im Zweifel auch
Kollegen nicht zu verraten, das heißt: auch nicht der Justiz
auszuliefern."
Dem Strafrechtsexperten Professor Tobias Singelnstein von der
Freien Universität Berlin zufolge glauben Staatsanwälte und Richter
im Zweifelsfall den Aussagen von Polizeibeamten: "Man kann von einer
entsprechenden Glaubwürdigkeitshierarchie bei der Justiz sprechen, wo
Polizeizeugen sehr weit oben angesiedelt sind." Amnesty International
(ai) recherchiert seit mehr als zehn Jahren zum Thema Polizeigewalt
in Deutschland. Alexander Bosch von ai schätzt, dass die Dunkelziffer
der Polizeiübergriffe "um ein Vielfaches höher" liegt als die 2.248
Fälle, in denen Anzeige erstattet wurde. Im Interview erklärt Bosch:
"Übergriffe können leider jeden treffen. Es gibt natürlich
Situationen, wo das häufiger der Fall sein könnte, wie
Großveranstaltungen, Demonstrationen, Fußballspiele. Aber ein ganz
gefährlicher Ort für solche Sachen sind auch Polizeistationen, weil
man dort als Bürger alleine ist. Man hat keine Zeugen."
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