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Mittelbayerische Zeitung: Gegen rechte Reflexe / Die Antworten von Pegida auf den Terror sind ignorant und heuchlerisch. Und sie hätten fatale Folgen. Leitartikel von Sebastian Heinrich

ID: 1159053

(ots) - Die Botschaft der internationalen Gemeinschaft
sollte am Wochenende klar sein: Wir treten vereint auf gegen
islamistische Gewalt. Genauso vereint sollte Europa weiter in den
kommenden Tagen, Wochen, Monaten sein - wenn es darum geht, selbst
ernannte Verteidiger des Abendlands in die Schranken zu weisen, die
mit dem Terror von Paris ihr bräunliches Süppchen erhitzen. Es gilt
jetzt, ihnen klar zu machen: Wir brauchen euch nicht. Weil eure
Antworten auf den islamistischen Terror ignorant und heuchlerisch
sind. Und weil diese Antworten fatale Folgen hätten. Ignorant sind
die Reflexe von Pegida über Lega Nord bis Front National, weil sie
"den Islam" mit dem Terror von Paris faktisch gleichsetzen. Sie
ignorieren dabei den muslimischen Polizisten Ahmed Merabet, den die
Terroristen vor der Redaktion von "Charlie Hebdo" hinrichteten; sie
ignorieren den Moslem Lassana Bathily, der in dem koscheren
Supermarkt in Paris Menschen aus der Schusslinie der Terroristen
geholt hat; sie ignorieren, dass ein Großteil der 2014 weltweit
getöteten Reporter Muslime waren - und dass die Opfer islamistischen
Terrors in großer Mehrheit Muslime sind. Dagegen, dass diese Ignoranz
sich weiter verbreitet, können die Muslime in Europa selbst viel tun:
indem sie weiter aufstehen und in die Welt schreien, wie sehr sie die
"Gotteskrieger" verabscheuen, die ihre Religion beschmutzen. Der
Islam kann ein Friedenswerkzeug sein oder eine Waffe. Er kann
Menschrechts-Vorkämpfer wie Friedensnobelpreisträgerin Malala
Yousafzai inspirieren oder den barbarischen "Islamischen Staat". Es
liegt an den weltoffenen Muslimen, für die Deutungshoheit über den
Koran zu kämpfen - und es liegt an den Nicht-Muslimen, sie zu
unterstützen. Heuchlerisch sind die Antworten der Radikalen, weil sie
aus den ermordeten "Charlie Hebdo"-Redakteuren Symbolfiguren für




ihren Kampf um das Abendland machen. Dabei gibt es kaum einen
größeren Unterschied zwischen dem beißenden, auf alle Religionen
zielenden Humor von "Charlie Hebdo" und den rassistischen
Beleidigungen, mit denen Pegida-Organisatoren hantieren.
Dankenswerterweise haben französische Karikaturisten selbst
klargemacht, was sie von der Vereinnahmung ihrer Kollegen durch die
engstirnigen Welterklärer halten. "Sie sind nichts anderes als
Aasgeier", schreiben frankophone Zeichner auf Facebook über Pegida.
Fatale Folgen hätten die Anti-Terror-Rezepte der Islamfeinde, weil
sie gerade die Ausgrenzung vorantreiben würden, die Islamismus erst
attraktiv für manche europäische Jugendliche macht. Der soziale
Humus, auf dem der Hass der Fundamentalisten besonders gut gedeiht,
liegt in Ghettos wie den Banlieues um Paris. Der Dschihad zieht
Menschen an, die keine Perspektive sehen - weil sie allzu oft
tatsächlich keine Chance auf sichere Jobs, soziale Anerkennung,
Integration haben. Je kleiner für jemanden die Chancen in der
westlichen Gesellschaft sind, desto verlockender erscheint ihm der
Krieg für einen Schariah-Staat. Die richtige Antwort auf den Terror
von Paris kann nur Aufklärung über den Islam sein - und Dialog mit
seinen vernünftigen Vertretern. Sie muss aus mehr Chancengleichheit
in unseren Ländern bestehen - und aus präziser geheimdienstlicher
Arbeit und konsequenter strafrechtlicher Verfolgung gegenüber
Terrorverdächtigen. Die Politik muss die Probleme bei der Wurzel
packen, die dem radikalen Islamismus in den vergangenen 20 Jahren den
Weg geebnet haben. Und Politik und Medien müssen die demokratischen
Rezepte gegen den Terror erklären , damit sie die Bevölkerung dafür
gewinnen. Sonst drehen die Hassprediger - Islamisten und
abendländische Rassisten - weiter an der Spirale der Gewalt.



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Datum: 12.01.2015 - 20:30 Uhr
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