(ots) - Den deutschen Landwirten fällt die wirksame
Bekämpfung von Schadinsekten und Pflanzenkrankheiten immer schwerer -
weil es an zugelassenen Mitteln gegen Schädlinge fehlt oder weil
bewährte Mittel von den Behörden vom Markt genommen werden.
Zusätzlich bedrohen neue Schädlinge, die im Zuge der Klimaveränderung
zu uns kommen, ihre Ernten. Durch die restriktive
Pflanzenschutzpolitik der Europäischen Union werden sich diese
Probleme in den kommenden Jahren weiter verschärfen.
Diesen ernüchternden Ausblick präsentierte der Industrieverband
Agrar e. V. (IVA) heute bei einem Pressegespräch anlässlich der
Internationalen Grünen Woche in Berlin. Wie real die Bedrohung schon
jetzt ist, zeigten die Berichte von zwei Praktikern aus der
Landwirtschaft, dem Rapsanbauer Hans Behn aus Mecklenburg-Vorpommern
und dem Winzer Norbert Weber aus Südbaden: Schädlinge wie die Kleine
Kohlfliege (Raps) und die Kirschessigfliege (Obst- und Weinbau)
richten in ihren Betrieben erhebliche Schäden an.
"In keiner Weltregion werden strengere Anforderungen an
Pflanzenschutzmittel gestellt als in der EU. Den Landwirten werden
absehbar immer weniger wirksame Mittel zur Verfügung stehen, und die
Industrie kann die entstehenden Lücken durch neue Produkte nicht mehr
schließen. Erschwerend kommt hinzu, dass bewährte Verfahren wie die
Saatgutbeizung zum Schutz gegen schädliche Insekten durch
EU-Bestimmungen kurzfristig verboten wurden", berichtete
IVA-Präsident Dr. Helmut Schramm.
Was dies in der Praxis an Ernteverlusten und Zusatzkosten
bedeutet, schilderte Landwirt Hans Behn, Vorstandsvorsitzender des
Regionalverbands Malchin des Landesbauernverbands
Mecklenburg-Vorpommern. Behn ist dabei kein Einzelfall. Sein
Bundesland ist die Hochburg des Rapsanbaus in Deutschland; die Ölsaat
wird dort auf jedem vierten Hektar angebaut. Im vergangenen Herbst
litten die jungen Rapspflanzen im Nordosten verstärkt unter dem
Schädlingsbefall. Nur dem bisherigen Witterungsverlauf dieses Winters
ist es zu verdanken, dass die Ausfälle bislang nicht höher ausfielen.
Vielerorts stehen die Landwirte vor der Entscheidung, die absehbaren
Mindererträge in Kauf zu nehmen oder doch besser den kümmerlichen
Bestand umzubrechen.
Bis Dezember 2013 war die Beizung des Saatguts mit neonikotinoiden
Insektiziden bewährter Standard, um die bisher junge Rapspflanze vor
Schädlingen wie Rapserdfloh und Kleine Kohlfliege zu schützen,
berichtete Behn. Nachdem die Europäische Union 2013 ein umstrittenes
Anwendungsverbot für drei Wirkstoffe erließ, mussten Behn und seine
Berufskollegen die Rapsaussaat im Spätsommer 2014 ohne insektizide
Beizung ausbringen. Gegen den Rapserdfloh mussten sie zusätzlich zwei
bis vier großflächige Spritzanwendungen mit Insektiziden durchführen;
gegen die Kleine Kohlfliege hingegen gibt es kein zugelassenes
Pflanzenschutzmittel mehr.
Für die Rapsanbauer in Mecklenburg-Vorpommern hatte dies
erhebliche Mehrkosten zur Folge: Behn zeigte auf, dass die
zusätzlichen Pflanzenschutzüberfahrten einen großen Aufwand
darstellen. Waren jedoch die Schäden durch die Kleine Kohlfliege im
Herbst schon so gravierend, dass der Raps umgebrochen werden musste
und auf demselben Acker Weizen gesät wurde, explodierten die Kosten
sogar auf etwa 400 Euro je Hektar. Dabei ist der entgangene
Vorfruchtwert noch nicht einmal berücksichtigt.
"Wir hoffen, dass das Beizmittelverbot sehr schnell wieder
aufgehoben wird", sagte Behn. "Uns Landwirten im Nordosten schadet es
massiv. Wir sind verunsichert, ob ein wirtschaftlicher Rapsanbau
zukünftig überhaupt noch möglich ist. Das eigentliche Ziel, nämlich
die Gesundheit der Bienen zu verbessern, wird in jedem Fall
verfehlt."
Während die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern altbekannte
Schädlinge kaum noch bekämpfen können, machten die Wein- und
Obstbauern im Südwesten jetzt unliebsame Erfahrungen mit einem
eingeschleppten Schädling: der Kirschessigfliege (Drosophila
suzukii), die 2014 in vielen deutschen Weinbauregionen erstmals
massiv auftrat.
Der bis dato unbekannte Schädling, der als blinder Passagier der
Klimaveränderung nach Deutschland kam, hat das Potenzial, die
Winzerarbeit eines ganzen Jahres zunichte zu machen und damit
erheblichen wirtschaftlichen Schaden zu verursachen. Weber selbst
zählte mit seinem Betrieb in Bischoffingen am Kaiserstuhl (Baden)
auch zu den Geschädigten.
"Wir müssen jetzt alle Kräfte bündeln, um für die
Vegetationssaison 2015 gut vorbereitet zu sein. Es braucht eine
abgestimmte Gesamtstrategie - dazu müssen Politik, Verwaltung,
Wissenschaft, Forschung, Beratung, Pflanzenschutz-Industrie und
Weinwirtschaft an einem Strang ziehen, um der neuen Herausforderung
Herr zu werden", sagte Weber. Dazu zählt er insbesondere vorbeugende
Maßnahmen.
"Was die Weinbaubetriebe jetzt dringend brauchen, ist eine größere
Vielfalt an Wirkstoffen, damit wir nicht in ein paar Jahren in die
Resistenzfalle laufen. Und in anderen Bereichen bereits bewährte
Pflanzenschutzmittel müssen zur Bekämpfung der Kirschessigfliege auch
für den Weinbau zugelassen werden", forderte Weber.
Nach einer internen Analyse des IVA kann das restriktive
EU-Pflanzenschutzrecht die Probleme der Landwirte noch verschärfen.
So stehen drei von vier Getreidefungiziden auf der Kippe, nur noch
jedes zweite Mittel gegen Krautfäule bei Kartoffeln wäre
zulassungsfähig. Schramm: "Als die EU 2009 ein neues
Pflanzenschutzrecht beschloss, war eines der erklärten Ziele die
Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion. Dazu braucht es
aber eine Regulierung mit Augenmaß, von der wir uns immer weiter
entfernen."
Der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) vertritt die Interessen der
agrochemischen Industrie in Deutschland. Zu den Geschäftsfeldern der
51 Mitgliedsunternehmen gehören Pflanzenschutz, Pflanzenernährung,
Schädlingsbekämpfung und Biotechnologie. Die vom IVA vertretene
Branche steht für innovative Produkte für eine moderne und
nachhaltige Landwirtschaft.
Pressekontakt:
Industrieverband Agrar e. V., Pressestelle
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