(ots) - Der Raps in Deutschland hat sich in den letzten
Jahren zu einer unverzichtbaren Ackerkultur entwickelt, sowohl in
ökonomischer als auch in ökologischer Hinsicht. Die
Einsatzmöglichkeiten dieser Kulturpflanze für die menschliche
Ernährung, als eiweißreiches Futtermittel sowie Biokraftstoff sind
zudem sehr vielseitig. Die Hochburg des Rapsanbaus liegt in
Mecklenburg-Vorpommern, erläuterte Landwirt Hans Behn heute
anlässlich eines Pressegesprächs des Industrieverbands Agrar e. V.
(IVA) im Rahmen der Internationalen Grünen Woche 2015 in Berlin.
Mecklenburg-Vorpommern ist die Hochburg des Rapsanbaus
In Mecklenburg-Vorpommern stehen laut Angaben des Statistischen
Landesamts auf etwa 250 000 Hektar Raps, das ist circa ein Viertel
der dortigen gesamten Ackerfläche. Auch bei der letzten Ernte in 2014
bestätigte Mecklenburg-Vorpommern wieder seine Stellung als Rapsland
Nr. 1 in Deutschland. Mit 1,1 Millionen Tonnen wurde so viel wie in
keinem anderen Land geerntet, und der bisherige Rekord aus dem Jahr
2009, die Erntemenge betreffend, wurde leicht überboten. Auch mit
durchschnittlichen Hektarerträgen von 44,9 Dezitonnen je Hektar (Wert
aus 2014) liegt Mecklenburg-Vorpommern an der Spitze.
Der Raps hat zudem eine enorme Bedeutung als Trachtpflanze für
Wild- und Honigbienen. Nur ein gutes Nektar- und Pollenangebot
sichert die Bienenbestände. Das Pollenangebot ist vor allem für den
Aufbau der Bienenpopulationen nach dem Winter von besonderer
Bedeutung. Nicht zuletzt ist der Raps eine der bedeutendsten
Vorfrüchte zu Winterweizen.
Die Kulturpflanze Raps ist für die Landwirte alternativlos
Hans Behn ist mit einem Durchschnittsertrag von 48,8 Dezitonnen je
Hektar in 2014 einer von vielen erfolgreichen Rapsanbauern in
Mecklenburg-Vorpommern. Er bewirtschaftet bei Malchin eine
landwirtschaftliche Nutzfläche von 781 Hektar - davon sind etwa 600
Hektar Ackerland, wovon zur Aussaat 2013 127 Hektar mit Winterraps
bestellt wurden. Der Landwirt ist darüber hinaus
Vorstandsvorsitzender des Regionalverbands Malchin des
Landesbauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern und kennt damit bestens
die Verhältnisse vor Ort. Für Behn und seine Berufskollegen zählt der
Raps aus vielerlei Gründen zu den wichtigsten Ackerkulturen des
Landes. Zum einen aufgrund der guten Ertragserwartungen mit in der
Regel zufriedenstellenden Erlösen, zum anderen wegen der
hervorragenden Wirkung als Vorfrucht insbesondere zu Winterweizen.
Laut Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern waren die
Winterweizenerträge im Mittel der Jahre 2009 - 2014 nach Rapsanbau um
6,4 Dezitonnen je Hektar höher im Vergleich zum Anbau von
Winterweizen nach Winterweizen (Stoppelweizen). Dieser Spitzenwert
von 6,4 Dezitonnen je Hektar wird von anderen Vorfrüchten wie Mais
oder Zuckerrüben nicht erreicht (3,1 Dezitonnen je Hektar bei Mais
und 3,6 Dezitonnen je Hektar bei Zuckerrüben).
Eine mehrjährige Auswertung der Landesforschungsanstalt für
Landwirtschaft bei 88 Ackerbaubetrieben in Mecklenburg-Vorpommern hat
darüber hinaus ergeben, dass 20 Prozent der Wertschöpfung unmittelbar
dem Winterraps zugeordnet werden können. Nur Winterweizen hat mit 31
Prozent einen noch höheren Wert.
Aufgrund regelmäßig stattfindender gemeinsamer Tischgespräche im
Kreisverband Malchin mit Teilnahme von Landwirten, Imkern und der
Jägerschaft besteht vor Ort ein vertrauensvolles Miteinander der
verschiedenen Akteure. Viele Landwirte nutzen die vom Land
Mecklenburg-Vorpommern angebotene Förderung für das Anlegen
artenreicher Bienenweiden auf ihren Flächen. Dies mit dem Ziel, das
Trachtangebot für Wild- und Honigbienen nach der Rapsblüte zu
verlängern.
Flächenspritzungen können die Beizen nicht ersetzen
Zuverlässig wirkende und langjährig bewährte
Pflanzenschutzstrategien haben zu einer hohen Sicherheit beim
Rapsanbau beigetragen. Die Europäische Union hat aber die
Neonikotinoid-haltigen Beizmittel verboten, die bisher
aufgelaufene/junge Rapspflanzen vor Schädlingen wie Rapserdfloh und
Kleine Kohlfliege wirksam geschützt haben. Erstmals mit der
Rapsaussaat im Sommer 2014 fehlte der insektizide Schutz. Gegen
Rapserdfloh wurden durch das Verbot nach der Aussaat zwei bis vier
Flächenspritzungen mit Insektiziden aus der Gruppe der Pyrethroide
notwendig. Deren Wirkung erfüllte nicht immer die Erwartungen, da es
bereits nachgewiesene Resistenzen gibt. Zudem ist die Wahl des
optimalen Spritztermins ein großes Problem bei der Kontrolle des
Rapserdflohs. Das Verfahren der mehrfachen Flächenspritzungen ist
keine optimale Lösung, da im Gegensatz zur Beize weniger zielgenau
gearbeitet werden kann und auch zum Beispiel Nützlinge stärker
betroffen sind. Der Kleinen Kohlfliege sind die Pflanzen ohne
Saatgutbeizung schutzlos ausgeliefert. Es gibt keine alternative
Bekämpfungsmöglichkeit zur Beize.
Mehrkosten von etwa 400 Euro je Hektar beim Rapsumbruch
Mit dem Beizverbot sollte den Bienen geholfen werden. Experten
bezweifeln jedoch, dass das Verbot in dieser Hinsicht wirklich etwas
bewirkt. Die Wissenschaftler des Deutschen Bienen-Monitoring haben
nachgewiesen, dass nicht der Pflanzenschutz, sondern die
eingeschleppte Varroamilbe den Bienen zusetzt. Insofern bringt das
Beizverbot den Bienen nichts, den Landwirten aber entstehen höhere
Kosten bzw. der wirtschaftliche Rapsanbau wird in Frage gestellt.
Für die Rapsanbauer in Mecklenburg-Vorpommern hatte das Beizverbot
erhebliche Mehrkostenkosten zur Folge: Behn zeigte auf, dass die
zusätzlichen Pflanzenschutzüberfahrten einen großen Aufwand
darstellen. Waren jedoch die Schäden durch die Kleine Kohlfliege im
Herbst schon so gravierend, dass der Raps umgebrochen werden musste
und auf demselben Acker Weizen gesät wurde, explodierten die Kosten
sogar auf etwa 400 Euro je Hektar. Dabei ist der entgangene
Vorfruchtwert noch nicht einmal berücksichtigt. Die Umbruchschwelle
liegt bei 10 vitalen Rapspflanzen je Quadratmeter bzw. darunter. Bei
10 vitalen Rapspflanzen können nur noch circa 60 Prozent des
ursprünglich avisierten Ertragspotenzials erreicht werden.
Hans Behn rechnet vor - Detailrechnung (Quelle:
Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern):
Kosten je Hektar bei Rapsumbruch
Direktkosten je Hektar des Rapsanbaus (bis zum Umbruch)
Rapssaatgut 86,00 Euro
Düngung (N aus AHL + Mikronährstoffe) 39,15 Euro
Pflanzenschutz (Insektizide, Fungizid, Herbizide) 150,83 Euro
Summe 275,98 Euro
Variable Maschinenkosten je Hektar des Rapsanbaus (bis zum
Umbruch)
Stoppelbearbeitung 12,37 Euro
Pflügen 38,43 Euro
Saatbeetbereitung 9,84 Euro
Aussaat 8,73 Euro
Pflanzenschutz (3 Ãœberfahrten) 6,72 Euro
AHL-Ausbringung (1 Ãœberfahrt) 2,83 Euro
Gülle-Ausbringung 37,60 Euro
Summe 116,52 Euro
Direktkosten + variable Maschinenkosten 392,50 Euro
Bei dieser Kostenaufstellung ist der entgangene Vorfruchtwert noch
nicht enthalten. Zu den Kosten muss auch der erhöhte Aufwand für die
Produktion eines Stoppelweizens im Hinblick auf Saatgut, Düngung und
Pflanzenschutz noch hinzu addiert werden.
Die Zukunft des Rapsanbaus ist in Frage gestellt
Praktiker wie Hans Behn stehen dieser Situation fassungslos
gegenüber und können das Beizverbot nicht nachvollziehen. Für sie ist
die Beizung der Königsweg im Pflanzenschutz, weil die Beizung mit
minimalem Wirkstoffeinsatz direkt am Saatkorn zielgenau für maximalen
Schutz sorgt.
Wegen massiven Pflanzenausfällen durch den sehr frühen Befall mit
Rapserdfloh und/oder Kleine Kohlfliege hat es regional bereits zum
Teil nicht unerhebliche Umbrüche gegeben. Die amtliche Schätzung geht
derzeit von etwa 300 Hektar für Mecklenburg-Vorpommern aus. Es ist
noch nicht abzuschätzen, welches Ausmaß die Schäden insgesamt
einnehmen werden, da diese von der Überwinterung der vorgeschädigten
Bestände sowie dem weiteren Vegetationsverlauf im Frühjahr 2015
abhängen. Nur dem bisherigen Witterungsverlauf dieses Winters ist es
zu verdanken, dass die Ausfälle bislang nicht höher ausfielen.
Vielerorts stehen die Landwirte noch vor der Entscheidung, die
absehbaren Mindererträge in Kauf zu nehmen oder doch besser den
kümmerlichen Bestand umzubrechen.
Es steht zu befürchten, dass in der Folge von erhöhtem Aufwand und
verringerten Erlösen sowie der Unsicherheiten durch das
Schädlingsauftreten der Rapsanbau zur Aussaat 2015 stark
eingeschränkt wird bzw. Landwirtschaftsbetriebe komplett aus dem
Rapsanbau aussteigen.
"Wir hoffen, dass das Beizmittelverbot sehr schnell wieder
aufgehoben wird", sagte Behn. "Uns Landwirten im Nordosten schadet es
massiv. Wir sind verunsichert, ob ein wirtschaftlicher Rapsanbau
zukünftig überhaupt noch möglich ist. Das eigentliche Ziel, nämlich
die Gesundheit der Bienen zu verbessern, wird in jedem Fall
verfehlt."
Der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) vertritt die Interessen der
agrochemischen Industrie in Deutschland. Zu den Geschäftsfeldern der
51 Mitgliedsunternehmen gehören Pflanzenschutz, Pflanzenernährung,
Schädlingsbekämpfung und Biotechnologie. Die vom IVA vertretene
Branche steht für innovative Produkte für eine moderne und
nachhaltige Landwirtschaft.
Pressekontakt:
Industrieverband Agrar e. V., Pressestelle
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