(ots) - 23 Prozent der Deutschen glauben, Juden hätten zu
viel Einfluss auf der Welt. Das ist erschreckend, auch wenn die Zahl
deutlich niedriger liegt als bei vergleichbaren Befragungen vor 20
Jahren. Denn was soll das bedeuten, wenn nicht plumpen Antisemitismus
- bei jedem Vierten. Diese Zahl, veröffentlicht am Vorabend des
Auschwitz-Gedenkens, ruft in Erinnerung, welche Ressentiments mal
offen und aggressiv, mal intellektuell aufgemotzt bei einem
erheblichen Teil der Bevölkerung nach wie vor verwurzelt sind. Oder
neue Wurzeln schlagen. Gegen Vorurteile hilft vor allem Wissen. Auch
konkretes Wissen darüber, was in der Nazizeit geschah. Deshalb darf
man schon fragen, warum diesmal am Holocaust-Gedenktag im Bundestag
kein Zeitzeuge spricht, sondern Joachim Gauck. Die Reden der letzten
Jahre - ob nun von Daniil Granin, Inge Deutschkron, Marcel
Reich-Ranicki oder anderen - waren durch die Kraft der Erinnerung
berührende Appelle an die Menschlichkeit und gegen das Vergessen.
Berichte von einer Intensität, die nur aus Leiden und Erleben
entstehen kann. Solange es noch Verfolgte des Faschismus gibt, die
erzählen können, sollten sie an solchen Tagen den Vorrang haben.
Gerade in Zeiten, in denen sich Fremdenfeindlichkeit austobt und -
wie kürzlich vom Leipziger Pegida-Ableger Legida - »Schluss mit dem
Kriegsschuldkult« gefordert wird. Nein, einen Schlussstrich unter die
NS-Geschichte, wie ihn laut der zitierten Umfrage mehr als jeder
Zweite befürwortet, kann es nicht geben.
Pressekontakt:
neues deutschland
Redaktion
Telefon: 030/2978-1715