(ots) - Zweifellos wäre Katherina Reiche ein Fall für
die Karenzzeit gewesen, sogar ein klassischer. Die 41-jährige
CDU-Politikerin wird nicht Geschäftsführerin des Verbandes Kommunaler
Unternehmen mit einem Gehalt doppelt so hoch wie die Kanzlerin, weil
sie so klug ist. Sondern einzig und allein, weil sie als
Ex-Staatssekretärin Berliner Ministeriumstüren öffnen kann. Skandalös
ist, dass Reiche sich gestern schnell noch berufen ließ, ehe ein
Gesetz wirksam wird, dass die Regierung - das Kollegialorgan, dem sie
da noch angehörte - just am gleichen Tag auf den Weg brachte. Eine
Karenzzeit ist prinzipiell die einzige vernünftige Regelung. Denn
grundsätzlich darf man die Berufsfreiheit auch für Politiker nicht
einschränken. Andererseits aber muss man die Wechsel in die
Wirtschaft dort erschweren, wo es große Interessensüberschneidungen
gibt. Sonst kommen sie der Korruption zu nahe. Noch skandalöser als
Reiches Vorgehen ist aber das Verhalten der Regierung selbst. Denn
seit dem Fall von Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, der zum
Staatskonzern Bahn ging, sind 14 Monate vergangen, ehe es gestern
überhaupt mal eine Kabinettsvorlage gab. Und dann noch eine
vergleichsweise laxe Regelung. Das liegt nicht an der Komplexität der
Materie. Es liegt an der Massivität der Interessen. Der mögliche
Wirtschaftsjob ist für fast alle, die oben angekommen sind in der
Politik, eine Option. Sie entschädigt für manche Entbehrungen des
Politikerdaseins, auch für das als viel zu gering empfundene
Staatsgehalt. Nur über die Politik können Arbeitsberater wie Dirk
Niebel, oder Chemikerinnen wie Katherina Reiche in solche
Einkommenssphären vorstoßen. Außerdem finden Spitzenpolitiker, dass
sie in diese Schicht gehören, schon von ihrer Entscheidungskompetenz
her. Was sie übersehen: Es geht fast immer um simple Lobbyposten,
nicht um den Wechsel ins Management. Denn davon haben die meisten
Politiker keine Ahnung. Sie werden für ihre Kontakte geholt. Nicht
für ihr Wissen. Dass da Wähler sind, die den Glauben an die
Aufrichtigkeit ihrer Volksvertreter verlieren, all das übersehen sie.
Wenn man nach Ursachen für Pegida-Proteste forschen will - der
gestrige Tag bot dafür Anschauungsunterricht.
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