(ots) - Die deutsche Debatte über den mit Verve
beschrittenen Kurs der SYRIZA-Regierung ist ein erhellendes Lehrstück
über den Zustand des politischen Bewusstseins hierzulande. »Am
Donnerstag traut sich Varoufakis nach Berlin«, titelt ein Blatt;»noch
traut sich Tsipras nicht nach Berlin«, ein öffentlich finanzierter
Sender. Solche Überschriften »traut« man sich, wenn man meint, das
»deutsche Interesse« müsse publizistisch »verteidigt« werden, weil es
auch das Interesse der Leute sei, die hier wohnen. Die glauben leider
mehrheitlich daran - auch, weil sie im Glauben gelassen werden, »die
Deutschen« hätten als eine Art Soli-Gesamtkollektiv nur und
ausschließlich allergrößte Hilfe an Athen geleistet. Nun ist
unumstritten, dass Milliarden an Griechenland überwiesen wurden -
doch die Gegenrechnung wird selten aufgemacht. Im Zuge der »Rettung«
des Landes ging es zuvörderst darum, die Gläubiger vor Schaden zu
bewahren, also europäische Banken, deutsches Kapital. Zudem wurde die
Eurozone stabilisiert, was dem hiesigen Export zugute kam. Die
Bonität Deutschlands stieg im Verhältnis zum Sturzflug der
Kreditwürdigkeit von Griechenland und anderer Krisenstaaten, was zu
milliardenschweren Zinsentlastung führte. Deutschland konnte zudem
Geld billig aufnehmen, um es teurer an Athen als Notkredit zu
verleihen. Und: Von griechischer Seite werden die offenen deutschen
Kriegsschulden mit elf Milliarden Euro beziffert. Die Frage der
Solidarität ließe sich also auch anders stellen: Wann und mit welchem
Angebot traut sich Merkel nach Athen?
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