(ots) - Die ersten zehn Tage im Amt waren für Alexis
Tsipras Tage der Ernüchterung. Seine vollmundigen Wahlversprechen
trafen auf eine Realität, wie sie der junge Regierungschef nicht
wahrhaben wollte. Seinen Mindestlohn, den er um mehr als 200 Euro
anheben wollte, kann er vorerst nicht durchsetzen, weil die
griechischen Unternehmer damit drohten, Personal zu entlassen und zu
Schwarzarbeitern zu greifen. Für den Schuldenschnitt hat er nicht
einmal in den Ländern, die selbst unter dem Reformdiktat aus Brüssel
stehen, Unterstützer gefunden. Schließlich brüskierte der
rechtspopulistische Verteidigungsminister der Syriza-Regierung, Panos
Kammenos, mit einem Hubschrauberüberflug einer türkischen Insel auch
noch die europäischen Nachbarn. Ein glänzender Start sieht anders
aus. Und auch in Brüssel musste Tsipras unverrichteter Dinge wieder
abreisen. Hatte er wirklich auf einen Kompromiss gehofft? Vielleicht
nicht, doch seine Mimik nach dem letzten Treffen mit
Parlamentspräsident Martin Schulz sprach Bände. Der frisch gebackene
Premier bemühte sich im Nachgang um eine optimistische Darstellung,
aber er wollte sicher mehr, als "auf einem guten Weg"zu sein. Und
schon dafür erwartet man in Brüssel eine Gegenleistung: Nämlich einen
Ministerpräsidenten, der die notwendigen Reformen durchsetzt, um die
Wirtschaft anzukurbeln. Im Gegenzug signalisierte Juncker, über das
"Wie" nachzudenken. Im Klartext: Setzt Tsipras die notwendigen
Reformen um, ist man in der europäischen Hauptstadt gewillt, über die
sozialen Wohlfahrtsgeschenke des Syriza-Chefs hinwegzublicken. Es ist
ein Deal, den der junge Regierungschef besser annehmen sollte. Denn
am 12. Februar trifft er wohl zum ersten Mal auf Bundeskanzlerin
Angela Merkel. Und sie zeigte bislang herzlich wenig Verständnis für
den Kurs aus Athen. Tsipras muss endlich Position beziehen.
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