(ots) - Junger, lockerer, linker Wirtschaftsprofessor im
Revoluzzer-Gewand trifft konservativen Vollblutpolitiker mit
jahrzehntelanger Erfahrung. Viel größer könnte der Kontrast zwischen
den beiden Finanzministern Gianis Varoufakis und Wolfgang Schäuble
kaum sein. Und einmal mehr wurde klar: Wahlkampf mag eine Kunst sein,
Regierungsgeschick jedoch stellt eine weitaus größere dar. Die
Spitzen der neuen griechischen Regierung werden gerade auf ziemlich
schmerzhafte Weise auf den harten Boden der Realität zurückgeholt.
Von großmäulig bis zu kleinlaut ist es manchmal ein kurzer Weg.
Jüngst sagte Varoufakis der französischen Zeitung »La Tribune«: »Was
auch immer Deutschland sagt oder tut, es muss in jedem Falle
bezahlen.« Jetzt hieß es nur ganz brav: »Wir brauchen Deutschland an
unserer Seite.« Was den glühenden Europäer Schäuble allenfalls mäßig
beeindruckte: »Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind.«
Alles bloße Rhetorik, könnte man einwenden. Doch so einfach ist die
Sache nicht. Mit ihren Versprechen vor der Wahl haben die jetzigen
griechischen Regierungsparteien eine Erwartungshaltung im Land
geschürt, die sie kaum erfüllen können, wenn sie gegenüber ihren
europäischen Partnern (halbwegs) vertragstreu bleiben wollen. Und um
nichts anderes geht es momentan. Es handelt sich nämlich mitnichten
um eine Verschwörung von EZB und der Regierung Merkel, auch wenn die
griechische Presse das lautstark vermutet. Auch wäre es wohl das
erste Mal, dass ein gewisser Herr Draghi sich nach den Wünschen der
Bundeskanzlerin richtet. Nein, es ist vielmehr so, dass sich die
Gläubigerländer mit Deutschland an der Spitze fragen, was als
nächstes passiert, wenn der Schuldner Griechenland jetzt die Regeln
bestimmt. Denn so wenig das Handeln der Griechen der Euro-Zone
insgesamt etwas anhaben kann (immerhin das ist ein Verdienst der
Krisenpolitik seit 2009), so schnell könnten die dadurch womöglich in
Frankreich und Italien entstehenden Nachbeben das Haus Europa zum
Einsturz bringen. Abermals stehen Merkel und Schäuble vor einer
äußerst schwierigen Mission. Wenn sie Griechenland im Euro-Raum
halten wollen - und das wollen sie -, werden sie der griechischen
Regierung mindestens symbolisch helfen müssen. Das weckt die
schlimmsten Befürchtungen all jener, die den Rettungskurs seit Jahr
und Tag kritisieren. So ist schon eine weitere Streckung des
Schuldendienstes äußerst heikel, denn auch die bedürfte wohl der
Zustimmung der Parlamente der Euro-Staaten. Von einem neuen
Rettungspaket ganz zu schweigen. Und Hans-Werner Sinn, Chef des
Ifo-Instituts, ätzt bereits von »Insolvenzverschleppung«. Die
griechische Tragödie tritt in eine neue Phase ein. Kluge Antworten,
die zugleich beide Seiten das Gesicht wahren lassen, kommen der
Quadratur des Kreises gleich. Die Krise war nie weg, nun hat sie
Europa wieder fest im Griff. Guter Rat ist immer teuer - hier aber
ist er es besonders.
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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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