(ots) - Sind die Probleme der "arbeitenden Mitte", der
"gehetzten Generation" wirklich das alles beherrschende Thema in
Deutschland? Im alltäglichen Leben vielleicht, da geht es tatsächlich
um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um das Gehalt und das
Fortkommen, um die Absicherung im Alter. Aber politisch geht es darum
derzeit absolut nicht. Politisch steht die Angst vor dem Krieg und
vor dem Zerfall der Währung im Vordergrund. Die SPD hat bei ihrer
Jahresauftaktklausur einmal mehr ihr seltsames Gespür für den
falschen Zeitpunkt von durchaus richtigen Ansätzen bewiesen. Als der
Zeitpunkt besser war, im Wahlkampf und in den
Koalitionsverhandlungen, lehnte sie allerdings zum Beispiel die
Abschaffung der Kalten Progression, ein klassisches
Mittelschichtproblem, unter Hinweis auf fehlende Steuereinnahmen noch
ab. Und sie machte auch nicht das Recht auf flexible Arbeitszeiten in
den Gesprächen mit der Union zum Streitpunkt, sondern lieber die
Rente mit 63 und die Frauenquote. Es ist diese Sprunghaftigkeit, die
an der Glaubwürdigkeit der Partei rüttelt und mit dazu beiträgt, dass
sie aus ihrem 25-Prozent-Keller nicht herauskommt. Und der
Vorsitzende Sigmar Gabriel ist da nicht klarer. Seine jüngsten Volten
sind die Absage an die im letzten Wahlkampf noch so vehement
geforderte Vermögenssteuer und seine Visite bei den Pegida-Leuten in
Dresden, mit denen die Partei angeblich doch nicht reden will. Wenn
ein Bürger sozialdemokratische Aktivisten am Info-Stand fragen
sollte, was die SPD anders machen würde als die Christdemokraten,
muss die ehrliche Antwort derzeit lauten: Danach wird noch gesucht.
Bei den beiden Hauptthemen dieser Zeit, Ukraine und Euro, spielt die
Musik ohnehin im Kanzleramt, egal wie rastlos Frank-Walter Steinmeier
arbeitet. Der erste Satz des gestrigen SPD-Beschlusses war denn auch
ein dickes Lob für Angela Merkel. Es ist derzeit einfach nicht die
Zeit für die eigene Profilierung. Fast peinlich versuchten sich die
Sozialdemokraten mit der Erinnerung an Willy Brandt selbst auch noch
ins Spiel zu bringen und forderten eine "neue Ost- und
Entspannungspolitik". Wenn es sie nach dem Treffen morgen in Minsk je
geben wird, wird sie den Namen der CDU-Vorsitzenden tragen. Ãœber die
Außenpolitik führt augenscheinlich keine Treppe ans Tageslicht. Aber
vielleicht will man da in Wahrheit derzeit gar nicht hin, jedenfalls
nicht mit letzter Entschlossenheit. Weil es ja auch im Keller
gemütlich sein kann, so lange hinreichend viele Leute dort
hinreichend attraktive Aufgaben finden.
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