(ots) - Hartleibigkeit oder Samaritertum, Untertanengeist
oder Ungehorsam - die Bibel kann bekanntlich fast jede Haltung
begründen. Wenn es ums Kirchenasyl geht, sind die Gläubigen aber
inzwischen entschieden: Auch wenn nur wenige Gemeinden tatsächlich
Härtefallasyl gewähren, hat diese Praxis großen Rückhalt an der
kirchlichen Basis. Nichtsdestotrotz und ohne Not - was sind 350 Fälle
bei 200 000 Flüchtlingen - lässt der sich als Christ
bezeichnende Bundesinnenminister einfach nicht ab von seinem Kreuzzug
gegen die Nächstenliebe. Seine Motive sind so unergründlich wie die
sprichwörtlichen Wege des Herrn. Den Geist des Grundgesetzes gilt es
hier jedenfalls nicht gegen die Anmaßung der Kirche zu verteidigen.
Die Verfassung enthält Grundrechtsbestimmungen, die aufschiebenden
Ungehorsam in wenigen humanitären Einzelfällen allemal decken. Und
sie nennt in seiner Präambel, worauf selbst ernannte C-Politiker
sonst gern abheben, die Verantwortung vor Gott noch vor derjenigen
den Menschen gegenüber. Ist beim Bundesinnenminister der offenbar
amtstypische Zynismus von »Der Staat bin ich« schon soweit Routine,
dass ihm diese christliche Gewissensentscheidung unerträglich ist?
Wurde er kritisch angesprochen, etwa nach einem Gottesdienst? Oder
schielt hier jemand auf Pegida? Es steht zu fürchten, dass Letzteres
zutrifft - und bleibt zu wünschen, dass sich die Gemeinden nicht
einschüchtern lassen. Die Zahl derer, die einen Samariter brauchen,
wird nämlich so schnell nicht abnehmen.
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