(ots) - Europa hat sich in diesen Tagen verändert - und
wurde zugleich entlarvt. Nicht die oft beschworene gemeinsame
Außenpolitik war stark genug, um sich mit Macht den Konfliktparteien
in diesem blutigen Konflikt entgegenzustellen, sondern es waren die
deutsche Kanzlerin und der französische Staatspräsident. Ohne den
britischen Premier, ohne die polnische Führung, ohne den griechischen
Newcomer. Und auch ohne einen EU-Vertreter der ersten Reihe. Merkel
und Hollande warteten nicht auf ein Mandat der EU, sie traten als
deutsch-französisches Gespann auf, dessen Gewicht reichte, um etwas
zu bewegen. Ob das, was Minsk II gebracht hat, reicht, wird man
sehen. Aber vielleicht liegt der eigentliche politische Gewinn dieser
Initiative an anderer Stelle: Merkel hat dem russischen Präsidenten
die Hand entgegengestreckt und ihn zugleich unter Druck gesetzt.
Schließlich war sie es, die dem amerikanischen Präsidenten zur
Zurückhaltung bei der Waffenlieferung an Kiew gedrängt hat. In
Brüssel spricht man schon von einer Hinwendung Europas zu Moskau, gar
von einem Ende des Kalten Krieges. Diese Bewertung mag überzogen
klingen, aber sie verdeutlicht das strategische Gewicht dieses
Durchbruchs, wenn es denn einer werden sollte. In jedem Fall hat
Wladimir Putin so etwas wie eine zweite Chance bekommen, sich als
verlässlicher politischer Partner zu bewähren. Wer die Signale
richtig versteht, wird wissen, dass Europa zu einer geopolitischen
Kraft aufgestiegen ist, die man nutzen könnte. Voraussetzung ist, die
Krise im Inneren beizulegen. Nach Minsk ist das Verhandlungsgeschick
von Merkel und Hollande in Brüssel gefragt. Der störrische Premier
aus Athen hat die Union aufgemischt, hat sie in Unsicherheit und
Unklarheit gestürzt, weil er den Partnern das Vertrauen dafür nahm,
dass einmal getroffene Vereinbarungen auch nach einem
Regierungswechsel ihre Gültigkeit haben. Bisher ging noch niemand so
weit, dass die Abwendung von der EU (oder der Euro-Zone) und die
Hinwendung zu anderen Sponsoren als machbarer Weg erschienen wäre.
Das ist bitter, denn die zentrale Botschaft lautet: Diese Union ist
stark, wenn sie sich einig ist. Und sie hat Macht, wenn sie ihre
Geschlossenheit nicht aufs Spiel setzt. Allerdings haben die
Ereignisse sowohl in Minsk wie auch rund um das Thema Griechenland
auch gezeigt, wie sehr die EU-Institutionen selbst in eine Nebenrolle
gedrängt wurden. Sie können Verordnungen erlassen, aber keine
politischen Durchbrüche initiieren. Europa ist so stark, wie es von
den großen Spielern gemacht wird: Deutschland und Frankreich. Das
verpflichtet beide zu einer Führungsrolle, die es de facto nicht
gibt. Die ewigen EU-Nörgler sollten sich überlegen, ob sie ohne eine
in dieser Hinsicht starke Gemeinschaft klarkommen können. Oder ob sie
nicht sicherer, wohlhabender und friedlicher in den Armen der EU
aufgehoben sind.
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Andreas Kolesch
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