(ots) - Auch nach den Marathon-Verhandlungen von Minsk
herrscht im Osten der Ukraine kein Frieden - nicht einmal ein
bisschen. Das war zu erwarten: Die Rebellen wollen den Kessel von
Debalzewo mit ein paar Tausend eingeschlossenen Soldaten noch rasch
erobern, die ukrainische Armee will ihn sprengen. Ähnlich kritisch
ist die Lage um die Hafenstadt Mariupol. Nun müssen morgen ab
Mitternacht die Waffen schweigen, aber wetten sollte man darauf
lieber nicht. Denn eine Waffenruhe hatte man ja bereits im September
vereinbart: Minsk I sozusagen. Und in Minsk II steht kaum etwas, das
sich von Minsk I unterscheidet: Waffenruhe, Pufferzone,
Gefangenenaustausch und Amnestie, Autonomiegesetz und Kommunalwahlen,
Kontrolle des Ganzen durch die OSZE. Dabei "kontrolliert" die OSZE ja
bereits seit fast einem Jahr in der Ost-Ukraine - mit dem bekannten
Ergebnis, siehe oben. 500 Mann sollen 25000 Quadratkilometer und die
400 Kilometer lange Grenze zwischen Russland und den
Separatistengebieten überwachen - wenn sie denn überhaupt bis dorthin
gelassen werden. Und da Russland ebenso wie die Ukraine Mitglied der
OSZE ist, hat der Kreml auch die volle Kontrolle über eine mögliche
Verstärkung der Mission. Misstrauen gegenüber Russlands Präsident
Putin und den von ihm hochgerüsteten pro-russischen Rebellen ist also
berechtigt. Der britische Premier Cameron hat die äußerst moderate
Verschärfung der EU-Sanktionen damit begründet, dass man von Moskau
nun endlich Taten statt Worte erwarte. Richtig so: Eine
Wiederannäherung kann nur Zug um Zug erfolgen. Selbst wenn alle
Punkte von Minsk II umgesetzt würden, hätte Putin ja gewonnen,
nämlich mit militärischen Mitteln die Struktur und Verfassung eines
vermeintlich souveränen Nachbarstaates verändert. Der von russischer
Seite immer wieder bemühte Vergleich mit dem Kosovo hinkt, denn im
Donbass hat es ja zuvor keine massenhafte Vertreibung von Russen
durch Ukrainer gegeben. Es geht allein um Einfluss und Unterwerfung.
Deshalb gibt es auch keinerlei Garantie, dass mit einem durch Minsk
II vielleicht "befriedeten" Donbass Schluss ist. Die wieder russische
Krim kann nur miserabel versorgt werden, der Kreml wird also einen
Landkorridor wollen. Auf dem liegt Mariupol. Und wenn der Korridor
erst frei ist, kann die Schwarzmeerflotte von der Krim aus den
wichtigsten Hafen der Ukraine, Odessa, blockieren. "Sterben für
Danzig?", fragten die Westmächte Ende der 30er Jahre. Aber wer daran
erinnert, riskiert sofort, als paranoider "Kriegshetzer" beschimpft
zu werden.
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