(ots) - Keynote Björn Böhning: Videoplattformen als
Herausforderung an die Medienregulierung
Den zweiten Tag der MEDIA CONVENTION Berlin leitete Björn Böhning,
Chef der Berliner Senatskanzlei, mit einer Keynote ein. Er forderte
eine angemessene Medienregulierung. Böhning: "Die wahren
Spielverderber sind diejenigen, die alles dem freien Spiel
überlassen." Dem Monopol der großen Konzerne zu verfallen könne
gefährlich werden - für Demokratie, Datenschutz, fairen Wettbewerb
und Arbeitsbedingungen. Die große Herausforderung sei es daher, eine
moderne Medienregulierung zu definieren, die Meinungsvielfalt im
Zeichen eines sich verändernden Nutzerverhaltens sichere.
Gleichzeitig solle sie dazu beitragen, die Potenziale der
Kreativwirtschaft auszuschöpfen und die Standortbedingungen für eine
digitale Wirtschaft der Zukunft zu optimieren. Bemerkenswert sei der
Trend vom linearen Fernsehen hin zu neuen Videoplattformen. Darin
liege laut Böhning ein ungeheures informationswirtschaftliches
Potenzial. Die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht sei
Pflichtaufgabe des Gesetzgebers und werde aktuell durch Regelungen im
Rundfunkstaatsvertrag gewährleistet. Aber Konzentration von
Meinungsmacht könne nicht nur im Rundfunkbereich, sondern auch
medienübergreifend entstehen. Hier riefen die klassischen
TV-Veranstalter nach einer Regulierung auf Augenhöhe. Aber das
Kartellrecht müsse auch angepasst werden, damit die internationale
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Medienunternehmen erhalten bleibt.
Die zunehmende Konvergenz von Medieninhalten bedeute: Die
Regulierungen müssen auf den Prüfstand. "Eine zeitgemäße
Medienregulierung ist eine Herkulesaufgabe", so Böhning. Berlin werde
sich in diese Debatte einbringen und für eine neue Medienordnung auf
allen Ebenen stark machen.
Flüchtige Macht? YouTube im Kreuzfeuer
Der Medienwissenschaftler und Blogger Bertram Gugel beschäftigte
sich in seinem Vortrag mit den Konkurrenten von YouTube. Es könnte
sein, dass die "guten alten Zeiten" für die Videoplattform schon zu
Ende gehen. Denn Konkurrenz ist in Sicht. Bereits heute werden Videos
auf Facebook deutlich häufiger geteilt, so die Beobachtung. Auf
YouTube dominierten Algorithmen und Sendeplan, die Viralität nehme
ab. Gugels kritisches Fazit: "Die Macht von YouTube bröckelt." Neue
Nischen wie twitch, eine Plattform für Gamer, machten YouTube
Konkurrenz, Facebook sei flexibler. Allerdings hätten die
Konkurrenten noch viele Hausaufgaben zu erledigen, die YouTube schon
gemacht habe. Gugel nannte hier zuerst ungeklärte Copyrightfragen und
die Vermarktung der Videos. Sein Ausblick für die Szene ist
optimistisch: "2015 wird ein großartiges Jahr für Video, 2016 auch."
Die Video-Offensive - Plattformen und ihre Bewegtbildstrategien
Am Mittwoch Vormittag saßen Vertreter der vier größten Player
gemeinsam in der zum Bersten vollen Halle 5 der MEDIA CONVENTION
Berlin: BenMcOwen Wilson, Director für Content Partnerships, EMEA,
YouTube, Robert Bridge, Vizepräsident Internationales Editorial und
Marketing, Yahoo!, Dr. Christoph Schneider, Geschäftsführer, Amazon
Instant Video Germany, und Martin Ott, Managing Director Northern,
Central and Eastern Europe bei Facebook.
Ben McOwen Wilson berichtete, dass auf YouTube jede Minute 300
Stunden neuer Inhalte hochgeladen werden. Deshalb sei es wichtig,
dass die Nutzer diese Inhalte auch finden. YouTube, so McOwen Wilson,
arbeite mit vielen Partnern zusammen: "Wir sind nur erfolgreich, wenn
unsere Partner auch erfolgreich sind." Für den Schutz von
Urheberrechten gebe YouTube etwa 16 Mio. US-Dollar pro Jahr aus. Kaum
ein Unternehmen habe ein derart ausgeklügeltes System zum
Urheberschutz wie YouTube. Man öffne sich auch gegenüber anderen
Plattformen. "Weitere Spieler auf dem Markt sind für uns wichtig", so
McOwen Wilson. Er vermisse aber europäische Player auf dem Markt.
Yahoo! befindet sich laut Robert Bridge gerade auf einer Reise zu
einer Entertainmentplattform. Das Internetunternehmen ist vor allem
im Bereich Musik und Konzerte aktiv und veranstaltet einen globalen
DJ-Wettbewerb. Jetzt will Yahoo! auch als Anbieter von
selbstproduziertem Content durchstarten und amerikanische Shows nach
Europa bringen. "Wir hängen Netflix aber noch hinterher", so Bridge.
Facebooks Mission ist es, "Menschen die Möglichkeit zu geben, alles
zu teilen", so Martin Ott. Dass immer mehr Menschen Zeit mit ihrem
Handy verbringen, verändere die Art des Medienkonsums enorm. Und es
werden immer mehr Videos produziert. Mittlerweile gäbe es auf
Facebook über vier Mrd. Videos, die überwiegend per Handy hochgeladen
werden. Einer der wichtigsten Partner sei Amazon, dessen Inhalte dazu
beitragen würden, Facebook zu entdecken. Christoph Schneider stellte
Amazon Instant Video vor, das erst vor einem Jahr ins Leben gerufen
wurde. Der Dienst hat vor allem Blockbuster, Filmklassiker und
TV-Filme im Angebot, insgesamt 12.000, manche exklusiv. Mit Amazon
Studio Content beginne man gerade, eigene Inhalte zu produzieren.
"Wir sind noch bei Tag eins", so Schneider, "unsere Zukunft hat
gerade erst begonnen."
Making Money on YouTube
YouTube-Star LeFloid, Jens-Uwe Bornemann (Freemantle Media/UFA),
Xi Chen, Strategin der Social Media-Agentur TLGG, und die
Modedesignerin und Vloggerin Melissa Lee diskutierten mit Moderatorin
Jeannine Michaelsen die Frage, wie man mit YouTube Geld verdienen
kann. Die Zahl der Konsumenten auf YouTube steigt jährlich um 50
Prozent. Seit vergangener Woche gibt es den YouTube Creator Space in
Berlin, ein Studio mit mehreren Sets. Immer mehr professionelle
Kreatoren wollen mit YouTube Geld verdienen. Doch nicht alle
erfolgreichen Webvideoproduzenten werden von der Aussicht auf
Werbeeinnahmen getrieben. LeFloid zählt mit mehr als 2,3 Mio.
Abonnenten zu den erfolgreichsten YouTubern Deutschlands. Er gehört
dem Freundeskreis 301+ an, der den Content in den Vordergrund stellt:
"Es ist ein Unterschied, ob man Inhalte hat, die so gut sind, dass
man damit Geld vedient, oder nur produziert um Geld zu verdienen."
Melissa Lee sieht nicht die Qualität eines Formats als Garant für
Erfolg, sondern die Nähe zu den Menschen. "YouTube hat auch das
Selbstverständnis von Produzenten verändert, denn die Plattformen
funktionieren anders als bisherige Formate", so Jens-Uwe Bornemann.
Man wolle mehr fiktionale Inhalte und Showformate anbieten. Für Xi
Chen steht fest: "YouTube ändert die klassische Betrachtung einer
Marke. Ihr Bild wird von sozialen Interaktionen und Verbindungen
geprägt, in denen sie sich befindet. Markenkommunikation wird
inhaltlicher und menschlicher sein als je zuvor." Daran anknüpfend
sieht Bornemann die Authentizität einer Plattform fuer eine
Vermarktung als ausschlaggebend. Für Lee steht fest: "YouTube
Deutschland ist noch in der Pubertät." Wichtig sei nun, das momentane
Ãœberangebot von Produktplatzierung hinter sich zu lassen und gute
Inhalte voranzubringen.
Visual Ventures - Fernseh- und Zeitungsmacher zusammen im Netz
Immer mehr Zeitungen schließen sich mit Filmproduktionen zusammen,
um ihre Inhalte multimedial - und dadurch noch intensiver und
mehrdimensionaler - darstellen zu können. Auf dem Panel vertreten:
Marc Lepetit (UFA Fiction) sprach über sein neues Projekt, die
Fiction-Doku "NSU Protokolle". Inhalte wie den NSU-Prozess filmisch
darzustellen, sei eine zeitgemäße Möglichkeit, komplexe und sperrige
Nachrichten aufzuarbeiten und verständlicher zu vermitteln, so
Lepetit. Paul Ronzheimer (BILD) stellte das neue Video-Format "Behind
the Story" vor, bei dem der Nachrichtenfokus auf den Reporter und die
Situation gelenkt wird, um News über Identifikation persönlich
greifbarer zu machen. Besonders im Social Media Bereich funktioniere
diese Art der Geschichtenerzählung, "der Reporter im Bild als
Orientierung". Jennifer Wilton (WELT/N24) berichtete über ihr Projekt
"Angst", bei dem bestimmte Themen über unterschiedliche Medien auf
einer Plattform aus einer "360 Grad-Perspektive" erzählt werden.
Jeremy Mendes (NFB Canada) zeigte uns mit "Seven Deadly Digital Sins"
wie auch der Rezipient selbst aktuelle Themen mitgestalten kann.
Webvideos und neue digitale Darstellungsformen würden für
Zeitungsmacher immer wichtiger. Herausforderung für die Medienhäuser
der Zukunft sei die Geschwindigkeit. Zeitungsmacher seien immer noch
an die Nachrichtenlage der Stunde gebunden und müssten trotz
aufwendiger Produktionen Aktualität bewahren. Auch müssten die
einzelnen Gewerke und ihre Experten bestehen bleiben. Neuer digitaler
Journalismus brauche interdisziplinäre Teams aus Experten.
Noch mehr Programm, Speaker und Fotos gibt es auf
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