(ots) - Aristoteles hätte es schwer nach diesem
europäischen Wochenende der Abstimmungen: »Das Ganze ist mehr als die
Summe seiner Teile«, lautet eine (verkürzte) Hinterlassenschaft des
Philosophen. Aber was heißt das in einer EU, in der auf nationaler
Ebene so unterschiedliche, ja: politisch unvereinbare Dinge
geschehen? In Irland, wo vor einigen Jahren Homosexualität noch mit
dem Bann des Strafrechts belegt war, befreit sich eine Gesellschaft
per Referendum von den Fesseln mittelalterlichen Denkens. In Polen,
nicht minder katholisch geprägt, sind es wohl die Jüngeren, welche
sich bei der Wahl zwischen rechts und rechter für Letzteres
entscheiden - der Linksliberale Adam Michnik spricht schon von einer
»Generationsrevolte«. Und wie passt Spanien dazu, wo das Nein zum
Politsystem der Etablierten sich in einem vielstimmigen Ja zu linken
Bündnissen und echter Demokratie Ausdruck verschaffte? Nicht alles
lässt sich mit der in den vergangenen Jahren beobachteten Entwicklung
des Europa der Krise erklären, in dem der Süden eher nach links und
der Nordwesten und Osten eher nach rechts tendiert. Und überhaupt:
Wer will es sich denn erklären lassen? Von einer wirklichen
europäischen Öffentlichkeit ist diese EU der nationalen Interessen
weit entfernt - im Zustand ihrer kapitalistischen Krise wohl weiter
denn je, verglichen mit den heutigen Möglichkeiten. Das ist nicht das
einzige Problem. Solange es aber so bleibt, ist Europa nicht einmal
die Summe seiner einzelnen Teile. Sondern weniger.
Pressekontakt:
neues deutschland
Redaktion
Telefon: 030/2978-1715