(ots) - Ein knapper Sieg ist besser als gar kein Sieg. Bei
der Vorratsdatenspeicherung hat die SPD die Zähne gefletscht und sich
nur widerwillig hinter Sigmar Gabriel versammelt. Am Ende zählt für
den Parteichef jedoch erst einmal, was hinten herausgekommen ist -
ein Ja. Gabriel hat allerdings die Genossen mit tatkräftiger Hilfe
des gefolgsamen Justizministers Heiko Maas zur Zustimmung genötigt.
Allzu oft kann er dieses Spielchen am Rande der politischen
Erpressung nicht spielen. Der Blick in die Geschichte der Partei
zeigt: Fühlt sich die SPD irgendwann zu sehr drangsaliert, werden ihr
Regierung und Macht schnell egal. Und damit auch das Schicksal ihres
Vorsitzenden - oder gar ihres Kanzlers. Vor Gabriel liegen ohnehin
weitere schwierige Monate. Bei der umstrittenen Energiewende geht es
nicht voran. Das Freihandelsabkommen TTIP, für das er beherzt wirbt,
ist für viele in der SPD nach wie vor eine Zumutung. Überdies hat er
in der Griechenlandpolitik mit kecken Attacken gegen Athen Teile
seiner Partei vor den Kopf gestoßen. In Gabriels Haut möchte man
daher nicht stecken. Vor allem aber, weil die SPD sehnsüchtig darauf
wartet, dass ihr Vorsitzender sie endlich aus dem 25-Prozent-Keller
führt. Um Optionen jenseits der ungeliebten Großen Koalition zu
haben. Wie ihm, wie der Partei insgesamt das bei so viel innerer
Zerrissenheit gelingen soll, ist das große sozialdemokratische
Rätsel. Freilich liegt es auch an Gabriel selbst. Er, der wuchtige
Instinktpolitiker, ist inzwischen hinter Willy Brandt am längsten
SPD-Chef. Dennoch hat er es nicht geschafft, eine sozialdemokratische
Idee oder Geschichte zu schreiben. Was macht die SPD von heute
eigentlich aus? Warum wird sie gebraucht, wo doch die soziale
Gerechtigkeit längst parteipolitisches Allgemeingut ist? Die
Traditionsthemen der Genossen sind abgearbeitet - von Rentenpaket bis
Mindestlohn. Im Verteilen waren sie schon immer gut. Aber das reicht
nicht mehr aus, um neue Wähler mit neuen Ansprüchen für sich zu
gewinnen. Es klafft ein programmatisches Loch; es fehlt die
Kursbestimmung über den Tag hinaus. Ob der Politiker Gabriel
überhaupt der richtige Mann dafür ist, das bezweifeln indes viele.
Und ja - in einer Großen Koalition ist es schwierig, sich
abzugrenzen, wenn man nur Juniorpartner ist, wenn eine Kanzlerin
regiert, die die Wähler und die eigene Partei narkotisiert hat.
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik(at)lr-online.de