(ots) - In Deutschland wird die Debatte über die Krise
Griechenlands so geführt, als dürften auch wir an diesem Sonntag
beim Referendum abstimmen. In den Talkshows haben Ökonomen und
Politiker Stimmung gemacht wie im Wahlkampf. Kein anderes
europäisches Land bespricht die griechische Tragödie so hitzig und
ausgiebig wie wir. Dafür gibt es einige Gründe: Deutschland ist der
größte und wirtschaftlich stärkste Staat in der Europäischen Union
(EU) und müsste bei einer griechischen Staatspleite - Stand heute -
für mehr als 80 Milliarden Euro einstehen. Außerdem geht bei
Entscheidungen von dieser Tragweite nichts ohne und nichts gegen
Angela Merkel. Lange genug hat die Kanzlerin dem griechischen
Regierungschef Alexis Tsipras die Tür offen gehalten - gegen die
Stimmung im Volk und in ihrer Fraktion. Die CDU-Chefin hat sogar den
guten Draht zu Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zumindest
ansatzweise aufs Spiel gesetzt. Offensichtlich treibt Angela Merkel
die Sorge um, dass ihr beim Ausscheiden Griechenlands aus der
Eurozone ein Verrat der europäischen Idee vorgeworfen werden könnte.
Doch das ist bloß Pathos. Auch Merkel scheint zu der Einsicht
gelangt zu sein, dass die linken Ideologen Tsipras und Varoufakis
Europa spalten und die Politik der EU revolutionieren wollen. Es ist
eine Sache der Schadensabwägung. Was hätte schlimmere Folgen für
den Kontinent: Griechenland zu retten oder es fallen zu lassen? Zu
den Bedingungen der Regierung in Athen kann es keine Lösung geben,
weil sie ein Affront gegenüber den Staaten wäre, die mit ihrem
Sparkurs wieder auf die Beine gekommen sind. Wenn sich die 19
Finanzminister der Euroländer treffen, dann kritisieren die Vertreter
aus Bulgarien, Slowenien und dem Baltikum ihren griechischen
Amtskollegen Varoufakis ungleich heftiger, als es Schäuble jemals
getan hat. Man denkt da unweigerlich an einen Geisterfahrer, wenn
sich 18 Staaten einig sind, aber nur ein Land querschießt, das
Solidarität fordert und diese missbraucht. Europa scheitert nicht,
wenn Griechenland am Sonntag mehrheitlich gegen den Sparkurs stimmen
sollte. Und egal, wie das Votum ausfällt: Tsipras wird seine beiden
Wahlversprechen, die ihn an die Macht gebracht haben, nicht mehr
halten können. Euro bekommen, aber nicht sparen - beides zusammen
wird nicht mehr funktionieren. Eigentlich müsste Tsipras hoffen,
dass er das Referendum verliert und die Griechen für Europa stimmen.
Denn er hat keinen Plan für den Fall, dass keine Euro mehr nach Athen
überwiesen werden. Das scheinen immer mehr seiner Landsleute zu
ahnen. Die Griechen haben am Sonntag die Chance, sich von einer
Regierung zu befreien, die dem Land in nur fünf Monaten massiv
geschadet hat. Hoffentlich wissen sie das.
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Andreas Kolesch
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