(ots) - In Freital bei Dresden eskaliert eine
Informationsveranstaltung zu Flüchtlingsunterkünften, in
Aschaffenburg stören offenbar NPD-Mitglieder eine Asyl-Diskussion mit
der Grünen-Politikern Claudia Roth und verletzen dabei einen Mann,
Pegida und Legida gewinnen wieder an Zulauf und die Mitglieder der
"Alternative für Deutschland" wählen ihr liberal-konservatives
Feigenblatt Bernhard Lucke ab. Auch wenn es womöglich keinen direkten
Zusammenhang zwischen diesen Nachrichten gibt - besorgniserregend
sind sie allemal. Denn sie zeigen, dass die Bereitschaft,
Fremdenfeindlichkeit offen zu zeigen, zugenommen hat. 70 Jahre nach
dem Ende Nazi-Deutschlands ist es kein Tabu mehr, menschenverachtende
Parolen in der Öffentlichkeit zu brüllen. Es sind nicht mehr nur die
paar übriggebliebenen Neonazis, die von Überfremdung und
Asylmissbrauch faseln. Viele Menschen, die ihren Unmut über die
Ankunft von Flüchtlingen kundtun, benutzen den Satz: "Ich bin kein
Nazi, aber..." Damit geht das Selbstverständnis einher, ein
eigentlich weltoffener Mensch zu sein. Soll heißen, solange die
Toleranz sich nicht auf das eigene Leben, den eigenen Besitzstand
oder die eigene Bequemlichkeit auswirkt, ist alles in Ordnung. Zuerst
muss es allen Deutschen gutgehen, so die weitergedachte
Argumentation, bevor Deutschland Flüchtlingen helfen kann. Doch diese
Ãœberlegung ist nicht nur extrem theoretisch und unpraktikabel,
sondern eben auch von einem völkischen Gedanken untertrieben, der
überholt und menschenverachtend ist. Denn wer ist deutsch und wer
nicht? Und wer kann vielleicht deutsch werden und wer nicht? Und
leitet sich aus dem Deutschsein ein höheres Recht auf Arbeit, auf
eine menschenwürdige Existenz ab? Und wenn ja, warum? Die einzige
logische Antwort auf diese Gedankengänge ist im Rückschluss: Es gibt
keine nationale Lösung auf die soziale Frage. Dabei liegt auch ein
Fehler darin, zu glauben, nur weil mehrere Menschen eine Meinung
vertreten, könne diese nicht per se falsch sein. Natürlich gibt es
auch Sorgen jenseits neuer Abstiegsängste. So bergen große
Flüchtlingsunterkünfte in kleinen Ortschaften die Gefahr für
Konflikte, allein schon wegen der plötzlich gewachsenen
Einwohnerzahl. So fördern mitunter politische Planungen die
Entstehung von Furcht. Generell war der Lernprozess nach den
fremdenfeindlichen Vorfällen Anfang der Neunziger in der Politik
nicht sehr intensiv. Auch damals suchten viele Menschen Zuflucht in
Deutschland. Die Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen waren
offensichtlich nicht, wie vielleicht vielerorts gehofft, nur ein
temporärer Ausdruck ostdeutscher Hilflosigkeit nach der Wende. Schon
damals lagen die Fehler unter anderem bei Politikern, die die
Situation zuerst unterschätzt und dann auch noch falsch kommuniziert
hatten. Passend dazu die Aussage der bayerischen Sozialministerin
Emilia Müller im November letzten Jahres, als sie auf die Frage nach
Strategien zu wahrscheinlich noch zunehmenden Flüchtlingsbewegungen
antwortete, man plane nicht in Szenarien. Der nächste große Fehler
etablierter Parteien ist es, beim Versuch den rechten Parteien die
Wähler strittig zu machen, die Fremdenfeindlichkeit noch zu schüren.
Es muss klar sein, dass Rassismus nicht akzeptiert wird in
Deutschland, egal was für Probleme - real oder eingebildet - die
Menschen haben, die ihn propagieren.
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