(ots) - Arbeit ist die beste Integration, sagt der
Leiter eines Passauer Modellprojekts, das Flüchtlingen die Tür zur
Wirtschaft öffnen möchte. Schließlich lernen diese in den Betrieben
nicht nur den (Berufs)Alltag in Deutschland kennen, sondern auch neue
Mit-Bürger und vielleicht auch deren Familien. In Bayern sind die
Voraussetzungen bestens. Mit einer Quote von 3,4 Prozent weist der
Freistaat in Deutschland die niedrigste Erwerbslosigkeit auf. So viel
zur Befürchtung, dass "Fremde" Tausenden von einheimischen
Arbeitslosen die Jobs wegnehmen könnten. Gleichzeitig suchen viele
Unternehmen händeringend Auszubildende und Fachkräfte. Dies gilt auch
und gerade für zahlreiche Branchen des Handwerks. Die theoretisch
bekundete Bereitschaft der Wirtschaft, es durchaus auch mal mit einem
motivierten und engagierten Flüchtling zu versuchen, ist groß. Doch
der Weg bis zu einer echten Integration in die Unternehmen ist mit
vielen bürokratischen Hemmnissen und Unwägbarkeiten gepflastert.
Soeben ist die Bundesregierung einen weiteren Schritt in die richtige
Richtung gegangen. Junge Asylsuchende und Geduldete mit einer
realistischen Bleibeperspektive sollen künftig schneller an Praktika
kommen. Bisher musste die Bundesagentur für Arbeit zustimmen. Diese
Pflicht entfällt nun. Firmenchefs werden allerdings nur dann bereit
sein, Flüchtlinge in ihre Unternehmen aufzunehmen, wenn sie
Planungssicherheit haben. Und hier gibt es ein großes Problem: Einer
Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge ist Deutschland EU-weit
Schlusslicht bei der Bearbeitung von Asylanträgen. In der Folge
erschwert das lange Asylverfahren die Integration von Flüchtlingen in
den Arbeitsmarkt erheblich. Zwar hat die Bundesregierung das
Arbeitsverbot für Asylbewerber unter bestimmten Bedingungen auf drei
Monate verkürzt, doch während der Wartezeit bleibt Flüchtlingen - von
denen zwei Drittel im erwerbsfähigen Alter sind - der Weg in den Job
versperrt. Eine Beschleunigung der Asylverfahren ist aber nicht das
einzige Gebot der Stunde. Mit Blick auf das große Ziel einer
möglichst schnellen Integration von Neuankömmlingen sollte dringend
geprüft werden, ob das komplexe Regelwerk sinnvoll vereinfacht werden
kann. Und ohne eine gezielte finanzielle Förderung kann die
Integration in den Arbeitsmarkt überdies nicht gelingen. Die meisten
haben ihre Heimat ohne Zeugnisse verlassen oder diese auf der Flucht
verloren. Um beruflich in die Spur zu kommen, müssen sie hierzulande
mindestens den Mittelschul-Abschluss nachholen. Nach Angaben des
Passauer Projektleiters kostet ein Vorbereitungskurs bei der
Volkshochschule für höchstens 15 Teilnehmer 38 000 Euro. Die Agentur
für Arbeit übernimmt nur die Hälfte. Mehr Geld muss unbedingt auch in
einen intensiven Deutsch-Unterricht investiert werden. Bislang werden
viel zu wenig Kurse angeboten. Im vergangenen Jahr etwa gab es in der
gesamten Region Passau lediglich zwei Kurse mit je 25 Teilnehmern für
Asylbewerber und Geduldete. Fakt ist: Fähigkeiten und Talente vieler
Asylbewerber liegen oft monate-, wenn nicht jahrelang brach. Wir
sollten anerkennen, dass wir uns inmitten einer neuen Welle der
Völkerwanderung befinden und darin auch eine Chance sehen - etwa, um
dem demografischen Wandel entgegenzuwirken und Fachkräfte
heranzuziehen. Und Arbeitgeber sollten dafür sorgen, dass
fremdenfeindliche Worte und Taten in den Betrieben sanktioniert
werden. Mitarbeiter sollten wissen: Wer diskriminiert, fliegt. Je
mehr Flüchtlinge in der Wirtschaft ankommen, desto besser. Und umso
normaler.
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