(ots) - Vor ein paar Wochen noch wurde sehr viel über eine
verständnisvollere "Willkommenskultur" für Flüchtlinge geredet. Es
ist stiller geworden um diese so gut gemeinte Aufforderung. Zum
offenkundigen Stimmungswandel haben die weiter stark gestiegenen
Asylanträge, die nur noch schwer zu findenden Unterkünfte und die mit
beidem verbundenen hohen Kosten beigetragen. In diesem Jahr wird, so
neueste Prognosen, mit mehr als den bisher erwarteten 450.000
Flüchtlingen (2014 waren es etwa 200.000) gerechnet. Von bis zu
600.000 Aufnahme suchenden Menschen ist die Rede. Die Kosten können
auf bis zu sechs Milliarden Euro steigen. Eine riesige
Herausforderung, die Deutschland - wie auch andere europäische
Zielländer - meistern muss. Konkret verlangt sie, aus dem Stand
Unterkünfte und menschenwürdige Versorgungseinrichtungen in der
Größenordnung einer Großstadt zu organisieren. Dabei drängt die Zeit.
Denn mit Herbst und Winter naht eine meteorologisch unbarmherzige
Witterung, die nicht länger Notunterkünfte in Zelten oder
unbeheizbaren Behausungen erlaubt. Deshalb haben Landespolitiker wie
der Bayer Horst Seehofer und Berlins Regierender Bürgermeister
Michael Müller recht, wenn sie von der Bundesregierung verlangen, den
Flüchtlingsgipfel in den September vorzuziehen. Nicht minder
verständlich, dass Länder und Kommunen, die die Hauptlast für
Unterbringung und Versorgung tragen, vom Bund mehr Geld verlangen.
Doch bevor die, wie jetzt auch Berlins Regierender Bürgermeister,
ihre finanziellen Mehrforderungen erheben, sollten sie selbst Rechts-
und Kostenbewusstsein zeigen und viel konsequenter als bislang
abgelehnte Asylbewerber in ihre Heimat zurückschicken. Im vergangenen
Jahr wurden von den 200.000 gestellten Asylanträgen zwei Drittel
abgelehnt. Abgeschoben aber wurden nur etwas mehr als 10.000 Personen
- also nicht einmal fünf Prozent. Betroffen sind vor allem Asyl
begehrende Menschen vom westlichen Balkan. Nachdem die Zahlen aus den
zu sicheren Herkunftsstaaten deklarierten Ländern
Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Serbien drastisch zurückgegangen
sind, kommen jetzt vor allem Flüchtlinge aus dem Kosovo und Albanien.
Allerdings auch sie mit nur geringsten Aussichten auf Asyl. Weil
ihnen in ihren Heimatländern, die alle in die EU streben, keine
politische Verfolgung droht. Wer das für kaltherzig, gar für zynisch
hält, den belehrt der Europa-Direktor des Flüchtlingshilfswerks der
Vereinten Nationen (UNHCR), Vincent Cochetel, eines anderen:
Asylbewerber aus dem Balkanstaaten, die international keinen Schutz
genießen, sollten konsequenter abgeschoben werden, um Platz für
"wirklich Schutzbedürftige zu gewähren". Würde diese Mahnung endlich
in die Tat umgesetzt, würde die Flüchtlingsproblematik europaweit
entscheidend entschärft. Nach wie vor suchen weit mehr Menschen vom
Balkan (aus wirtschaftlichen Gründen) Asyl als Syrer
(Kriegsflüchtlinge) oder Afrikaner (politische Verfolgung). Es gibt
also keine wirklich überzeugenden Gründe, den Vorstoß Bayerns
abzulehnen, getrennte Aufnahmezentren für nahezu aussichtslose
Asylbegehren einzurichten mit dem Ziel schnelle Entscheidung samt
prompter Rückführung. Das würde die Zahl der Asylbewerber drastisch
reduzieren. Und damit die Willkommenskultur, derer vorrangig
Kriegsflüchtlinge aus Syrien bedürfen, nicht weiter aufs Spiel
setzen. Für den Flüchtlingsgipfel bleibt dann immer noch genug
Arbeit. Er muss Lösungen für eine gerechte finanzielle Lastenteilung
finden. Und für mehr angemessenen Wohnraum angesichts eines ohnehin
stark angespannten Wohnungsmarkts in Großstädten wie Berlin oder
Hamburg. Auf keinen Fall darf dieser Gipfel noch mit den
Vorbereitungen für ein mögliches Zuwanderungsgesetz überfrachtet
werden. Das kann nur der zweite Schritt nach der Entschärfung der
Asylproblematik sein.
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