(ots) - Halle. Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Friedrich
Schorlemmer hat beklagt, dass andere Dissidenten aus der Zeit vor
1989 sich heute nicht für die Belange von Flüchtlingen einsetzen. "Da
packt mich eine richtige Wut", sagte er der in Halle erscheinenden
"Mitteldeutschen Zeitung" (Montag-Ausgabe). "Wer hier als
Bürgerrechtler aktiv gewesen ist, dem bringe man alle Achtung
entgegen, weil man nie wusste, wie die Konflikte ausgehen. Aber das
Erbe der Friedlichen Revolution muss sein, dass wir Toleranz üben und
jeder Fremdenfeindlichkeit entgegentreten. Da wir aus der Bedrängung
rausgekommen sind, müssen wir die Leute sein, die sich für Bedrängte
einsetzen. Und manche sind so mit der Vergangenheit beschäftigt, dass
sie gegenwartsblind werden." Schorlemmer fügte hinzu: "Der Umgang mit
Flüchtlingen ist ein gemeinsames Problem in Deutschland. Und es ist
unsere gemeinsame Verantwortung. Aber es ist richtig: Das
Verletzungsgefühl vieler Ostdeutscher, sie seien nicht gleich
geachtet, sitzt noch tief. Und nach aller sozialpsychologischen
Erfahrung reagieren Menschen mit Erniedrigungserfahrungen so, dass
sie sich nach unten hin abreagieren. Dagegen muss man etwas tun." Auf
die Frage, was er von der Idee halte, mehr Flüchtlinge nach
Ostdeutschland zu bringen, weil es da mehr freien Wohnraum gebe als
in Westdeutschland, antwortete der Theologe: "Bloß nicht. Wir müssen
vermeiden, auf diese Weise unter Umständen noch größere Probleme
auszulösen. Wenn wir in die Gegenden, in denen es heute schon wenig
Hoffnung für Einheimische gibt, besonders viele Ausländer schicken,
dann Gnade uns Gott."
Pressekontakt:
Mitteldeutsche Zeitung
Hartmut Augustin
Telefon: 0345 565 4200