(ots) - Wie ein Dokument des Scheiterns liest sich die
Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, die
Metropolen wie München, Frankfurt und Berlin "starkes Wachstum" oder
immerhin "Wachstum" bescheinigt. Und anderen Kommunen, ländlich
kleinen meist, Schrumpfung attestiert. Das Leben in den deutschen
Großstädten ist deutlich attraktiver als das auf dem Land, kann man
da herauslesen. Wenn dem so ist, ist das nichts anderes als das
Scheitern des im Grundgesetz festgeschrieben Zieles, im ganzen
Bundesgebiet "gleichwertige Lebensverhältnisse" herzustellen. Bayern
hat sich zur Verwirklichung dieses Ziels sogar ein eigenes
Heimatministerium geschaffen. Doch noch scheint es unerreichbar. Der
Trend zum Leben in der Stadt hält seit Jahren ungebrochen an.
Großstädte versprechen Kultur und Bildung, Arbeitsplätze und
Freizeitangebote. Mehr als dreißig Prozent aller Jugendlichen eines
Jahrgangs gehen inzwischen nach dem Schulabschluss an eine
Hochschule. Doch es sind längst nicht mehr nur die Jungen, die es in
die Städte zieht: Moderne Architektur mit viel Grün und
seniorengerechtes Wohnen haben die Städte auch für Familien und
ältere Menschen attraktiver gemacht. Gleichzeitig ächzen die
Metropolen unter dem Zuzug, siehe München: Mieten steigen, Pendler
quälen sich in überfüllten S-Bahnen, Krippen und Kindergärten haben
lange Wartelisten, Schulklassen platzen aus allen Nähten. Ebenso die
Gemeinden in den so genannten Speckgürteln, deren Infrastruktur für
den massiven Zuzug nicht ausgelegt ist und deren öffentliche
Einrichtungen von Krippe bis Krankenhaus auf der Suche nach
qualifiziertem Personal zusätzlich mit den Einrichtungen in den nahen
Metropolen konkurrieren. Personal, das in den ländlichen Gemeinden
erst recht fehlt. Hier schließen Schulen und Arztpraxen, Wohnungen
und Geschäfte in den Innenstädten stehen leer und verfallen,
Gewerbegebiete veröden. Fehlende Gewerbesteuereinnahmen zwingen
Bürgermeister dazu, notwendige Investitionen auf ihre Bürger
umzulegen, das Wohnen auf dem Land wird teurer und noch
unattraktiver: Die Landflucht scheint ein unaufhaltsamer Trend, der
fast nur Verlierer kennt. Dabei waren die Bedingungen für das Leben
auf dem Land eigentlich nie besser. Denn die Digitalisierung hat das
Potenzial, viele der Nachteile auszugleichen, die das Landleben einst
unattraktiv machten. Aktuelle Nachrichten und Börseninformationen
sind für jeden überall und jederzeit zugänglich, die neueste Mode,
der modernste Fernseher und selbst Lebensmittel sind heute über das
Internet verfügbar und werden auch im kleinsten Dorf bis an die
Haustür gebracht. Soziale Medien ermöglichen private und
geschäftliche Kommunikation in Echtzeit, weltweit. Schnelle
Internetverbindung vorausgesetzt. In der Oberpfalz verfügten Ende
2014 nur 54 Prozent aller Haushalte über eine Internetverbindung von
mindestens 50 MB/s. Aber 215 von 226 Kommunen befanden sich schon im
Förderverfahren des Heimatministeriums, das bis 2018 mehr als eine
Milliarde Euro in den Breitbandausbau investiert. Das ist ein erster
Schritt. Staatliche Förderprogramme können allerdings nur begrenzt
helfen. Strukturwandel braucht Ideen. Studien zeigen, dass der
Bevölkerungsschwund dort aufgehalten werden kann, wo sich die
Kommunen auf ihre individuellen Stärken besinnen. Das kann der
Tourismus sein, genauso gut aber attraktive Modelle der
Bürgerbeteiligung oder kreative Modellprojekte. Bürgerbusse oder
Car-Sharing-Modelle können Mobilität dort ermöglichen, wo sich der
öffentliche Nahverkehr nicht mehr rechnet, Schulen und Kindergärten
neue, flexible und überregional attraktive Lernkonzepte entwickeln,
mobile Arztpraxen oder regionale Gesundheitszentren
Gesundheitsversorgung da sicherstellen, wo lokale Hausärzte
aufgegeben haben. So kann der existenzbedrohende Druck der Landflucht
zur Chance werden, ganz neue Infrastrukturmodelle zu erproben. Das
kostet Geld, könnte aber diejenigen, die in jungen Jahren zum Lernen
fortgehen, zur späteren Rückkehr motivieren. An ihnen wird sich
zeigen, ob es gelingt, das Leben auf dem Land wieder zur echten
Alternative zum Stadtleben zu machen, mit gleichen Chancen und
vergleichbarer Lebensqualität. Gleichwertig eben.
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