(ots) - Lucien Favre ist ein höflicher und intelligenter
Mensch. Seine charmante Art hat ihm unter den Fußballfans in
Deutschland viel Sympathie eingebracht. Auch, weil er ein
hervorragender Trainer ist. Vor acht Jahren kam der in der
französischsprachigen Schweiz geborene Favre nach Berlin, trainierte
etwas mehr als zwei Jahre Hertha BSC. 2011 übernahm er
Mönchengladbach. Erst Berlin, jetzt die Borussia: Die Parallelen sind
unübersehbar. Favre führte Hertha in die Europa League. Die
Erwartungshaltung stieg, der Klub aber ließ die besten Spieler
ziehen. Nach sechs Niederlagen in der Bundesliga wurde er entlassen.
Bevor Favre nach Gladbach kam, war der Klub ein Abstiegskandidat. Nun
spielt er erstmals in der Vereinsgeschichte in der Champions League.
Das erste Spiel, am Dienstagabend beim FC Sevilla, ging 0:3 verloren.
Es war die fünfte Niederlage in Folge, in der Liga steht die Borussia
punktlos am Tabellenende. Auch weil der Klub wichtige Leistungsträger
nicht halten konnte. Aber auch, weil bislang zuverlässige Spieler
Anfängerfehler machen. Drei Elfmeter verursachte die Borussia gegen
Sevilla. Torwart Yann Sommer, überragend in der Vorsaison, legte sich
den Ball zum 0:3 selbst ins Tor. Die gesamte Mannschaft ist
verunsichert. Eigentlich ist es Favres Aufgabe, die Eigendynamik des
Misserfolgs zu brechen. Aber auch er ist von ihr erfasst. Vielleicht
noch mehr als die Spieler, weil er die Verantwortung hat. Und weil er
ein sehr sensibler Mensch ist. Disstress - so wird in der Psychologie
negativer Stress bezeichnet, der vor allem durch von außen kommenden
Leistungs- und Zeitdruck entsteht. Mögliche Folgen: gestörte
Konzentration, Denkblockaden, Burnout. Hertha-Insider berichteten
2009 von kompletter Ãœberforderung und Ratlosigkeit Favres. Als der
Schweizer am vergangenen Sonntag das 0:3 gegen den HSV analysieren
sollte, war er kaum zu verstehen. In der eigenen Erklärungsnot fiel
er zudem wohl unfreiwillig in seinen französischen Akzent zurück.
Borussia Mönchengladbach sollte jetzt den Druck so weit wie möglich
abbauen und das auch öffentlich kommunizieren. Weg von den
ausgegebenen Saisonzielen, kein Ultimatum. So hilft man Lucien Favre
am besten. Und so kann man vielleicht auch einen Trainer halten, der
seine außerordentlichen Fähigkeiten oft genug bewiesen hat.
Garantiert ist auch nicht, dass die Spieler unter einem neuen Coach
die Verunsicherung ablegen. Hertha BSC stieg 2010 abgeschlagen als
Tabellenletzter ab.
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